Kommentar Zweifelhaftes Verfahren

Der Interessenkonflikt zwischen Naturschutz und Naherholungsbedürfnis wird in Bonn nirgendwo so intensiv ausgetragen wie an der Siegmündung. Das Naturschutzgebiet lockt an warmen Sommertagen Hunderte Sonnenanbeter an. Sie parken, spazieren, baden und grillen am Fluss und nicht wenige lassen auch ihre Hunde frei durch die Auen laufen.

Dieser Freizeitspaß ist in einem Naturschutzgebiet verboten - Ausnahme: extra fürs Baden gekennzeichnete Uferabschnitte.Bonns Naturschützer sind zu Recht sauer wegen der zunehmenden Verstöße, sehen sie doch die Früchte ihrer jahrelangen Bemühungen in Gefahr. Aufklärungsarbeit vor Ort hat die Biologische Station einerseits aus Zeitmangel aufgegeben, andererseits schreckt sie die Uneinsichtigkeit und verbale Wehrhaftigkeit vieler Angesprochener ab.

Seit einem Jahr nun zieht ein Naturschützer mit Kamera und Block durch die Siegaue, notiert Vergehen sowie Kfz-Kennzeichen und fotografiert "Umweltsünder". Diese Beweismittel schickt er samt Anzeige an die Stadt. Seit 2012 hat er der Ordnungsbehörde rund 1300 Vergehen gemeldet.

Von Rechts wegen muss die Stadt den Anzeigen nachgehen, die Beschuldigten anhören und eventuell Bußgelder verhängen. Allerdings verspüren die städtischen Mitarbeiter Unbehagen bei diesem zweifelhaften Verfahren. Naturschutz-Sheriff kontra Bonner Bürger: Nachhaltige Umweltbildung sieht anders aus. Rechtlich ist der selbst ernannte Ordnungshüter auf der sicheren Seite, aber Verständnis für die Sache gewinnt man so nicht.

Damit sich nicht noch mehr Frust auf beiden Seiten aufbaut, muss zwischen Stadt, Naturschutzverbänden und der Biologischen Station eine Strategie zur Aufklärung von Verhaltensweisen in Naturschutzgebieten und, falls erforderlich, zur Ahndung von Vergehen entwickelt werden. Wer Menschen für restriktive Naturschutzregeln gewinnen will, muss sie überzeugen, aber nicht an den Pranger stellen.

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