Taucherin aus Röttgen schreibt Erinnerungen auf Ein Leben zwischen Zahlen, Bilanzen und Stachelrochen

Bonn-Röttgen · Die 85-jährige Käthe Wickert grüßt „Mit freundlichem Flossenschlag“: Als passionierte Taucherin, die mehr als 600 Tauchgänge hinter sich hat, hat sie ein Buch über ihre Abenteuer unter Wasser geschrieben.

 Käthe Wickert filmte und malt die selbst erlebte Unterwasserwelt. Jetzt hat sie darüber ein Buch geschrieben.

Käthe Wickert filmte und malt die selbst erlebte Unterwasserwelt. Jetzt hat sie darüber ein Buch geschrieben.

Foto: Stefan Hermes

Die Zeiten, in denen Käthe Wickert zusammen mit ihrem Mann im Camper durch Australien gefahren ist, unter Wasser den Tanz der Stachelrochen gefilmt hat oder eine Haihochzeit vor den Galapagosinseln nicht bis zum Höhepunkt verfolgt hat, weil ihr die Druckluft ausging, sind seit vielen Jahren vorbei. Doch wenn die heute 85-jährige Röttgenerin davon erzählt, leuchten ihre Augen. Erst beim zweiten Blick in ihr gut bürgerlich eingerichtetes Haus am Herzogsfreudenweg fällt der Haifisch auf, der die Glasplatte des Wohnzimmertisches trägt oder das afrikanische Tuch, das den Esstisch bedeckt. Auch die Skulpturen und Bronzeabgüsse ihrer meist abstrakten Figuren sowie die farbenfrohen Malereien an den Wänden erzählen von der künstlerischen Facette einer Frau, die in ihrem ganzen Berufsleben – von freiem Kunstschaffen weit entfernt – ihr Tagewerk mit Zahlen und Bilanzen verbrachte.

Luft anhalten in Mombasa

„Das Modellieren und das Tauchen gehörten immer zur Entspannung in meinem ansonsten von peniblem und präzisem Arbeiten geprägten Leben“, sagt Wickert. Es war am Ende des Zweiten Weltkriegs, als die sechsjährige Käthe mit ihrer Mutter von ihrer Geburtsstadt Neuwied nach Bonn umzog, wo ihr gerade aus dem Krieg zurückgekehrter Vater in Endenich eine Anstellung als Maschinenbauingenieur bei den Wessel-Werken gefunden hatte. Sie machte das sogenannte „Einjährige“ am Clara-Schumann-Gymnasium in der Bonner Südstadt, das damals noch eine reine Mädchenschule war, und absolvierte im Anschluss eine Lehre als Steuerfachangestellte. Danach schloss sie noch ein Studium ab und konnte sich daraufhin 30 Jahre lang als selbstständige Steuerberaterin niederlassen. Sie hatte da bereits zwei Töchter und einen Sohn zur Welt gebracht und mit ihrem ersten Mann die Unterwasserwelt für sich entdeckt.

„Wenn ich nur acht Tage Zeit hatte“, kommt Wickert ins Schwärmen, „machte ich mich auf und ging unter Wasser“. Die Liste ihrer Tauchorte reicht von allen Hotspots im Mittelmeer über das Rote Meer bis in die Karibik und zum australischen Great Barrier Reef. Sie begab sich – wie die Kapitelüberschriften ihrer soeben erschienenen autobiografischen Abenteuergeschichten verraten – „auf eigene Faust“ nach Malaysia und „hielt die Luft in Mombasa an“. Traf „Götter und Dämonen“ auf Bali, tauchte im „gelobten Land“ und im Golf von Aden. Über 600 Mal hat sie rund 45 Minuten unter Wasser verbracht, was aneinandergereiht nahezu 19 Tagen und Nächten ihres Lebens entspricht.

 Blick durch die Taucherbrille als zündender Moment

„Wir waren Anfang der 1970er Jahre mit unseren Kindern im damaligen Jugoslawien in Urlaub, als ich zum ersten Mal durch eine Taucherbrille sah“, erinnert sich Wickert an den Moment, seitdem sie der Blick in die Unterwasserwelt nicht mehr losließ. Kaum vier Jahre später tauchte sie bereits, ohne bis dahin jemals einen Kurs besucht zu haben, mit Druckluft auf dem Rücken. Später kamen noch Super-8-Kameras und Scheinwerfer dazu, mit denen sie ihre Faszination für die Unterwasserwelt zu teilen versuchte. Die Ausrüstung wurde immer professioneller und ihr eigener Anspruch stieg. Vor allem auch durch ihren heutigen Mann, den sie über das Tauchen kennenlernte. Der promovierte Biologe Rolf Stiemerling (81) öffnete ihr die Augen für die biologischen Zusammenhänge und Besonderheiten, die Wickert immer weiter fesselten.

„Wir sind alle außergewöhnlich an Biologie interessiert“, sagt sie heute und schließt dabei ihre drei sowie auch die beiden Kinder ihres Mannes ein. So konnte man bereits 2017 im GA über das Seniorenpaar lesen, als es aus purem Interesse heraus eine Seidenraupenzucht in seinem Esszimmer anlegte, um die Entwicklung von 250 aus Japan importierten Eiern über das Raupenstadium bis hin zum Nachtfalter verfolgen zu können. Während sich der pensionierte Zellbiologe Stiemerling weiterhin mit seiner Profession beschäftigte, verfolgte Wickert mit zunehmender Freizeit ihre künstlerischen Ambitionen.

Collage aus Erinnerungen führt zur Buch-Idee

Rund zwanzig Jahre war sie schon im Röttgener privaten Arbeitskreis Bildende Kunst aktiv, als die Vorgabe ihrer Dozentin lautete, eine Collage aus Erinnerungen, Erlebnissen und Eindrücken früherer Zeiten anzufertigen. Wickert entschied sich für die Zusammenstellung von Tauch-Devotionalien und wusste bei jedem Ausschnitt, den sie ihrer Collage zufügte, begeistert von den Erlebnissen über und unter Wassert zu erzählen. Der Satz ihrer Dozentin, dass sie über das Erlebte doch einmal ein Buch schreiben sollte, ließ sie nicht mehr los. Rund vier Jahre hat sie, vor allem in den Herbst- und Wintermonaten, an ihrem Buch „Mit freundlichem Flossenschlag“ gearbeitet.

Dank Tagebüchern, Tauchbrevieren und vielen Notizen ließ sie Erinnerungen wieder aufleben, die von der Faszination des Tauchens, des Reisens und des Kennenlernens von Mensch und Natur auf nahezu dem gesamten Globus erzählen. Wickert nimmt ihre Leser dabei mit in die Tiefen der Weltmeere und schildert neben ihren teils abenteuerlichen, teils amüsanten Erlebnissen die Vielfalt von Flora und Fauna unter Wasser: Auf Augenhöhe mit Meerengeln, Spiegelfleckjunkern, Rotzahndrückern, Süßlippen und mit Haien. Ihr tiefgreifendstes Erlebnis war ein Tanz von Stachelrochen, den sie nicht nur eindrucksvoll beschreibt und filmisch festhalten konnte, sondern dessen Protagonist auch heute noch als Tattoo den Unterarm der agilen 85-jährigen Röttgenerin ziert.

Käthe Wickert: „Mit freundlichem Flossenschlag“, 224 Seiten, Softcover, Verrai-Verlag, 14,90 Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort