Auseinandersetzung um das Berlin/Bonn-Gesetz Bonner Anteil an Ministeriumsarbeitsplätzen hat sich deutlich verringert

Bonn · Die Fakten sind unstrittig: Binnen elf Jahren, vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2011, hat sich der Bonner Anteil an der Gesamtzahl sämtlicher Arbeitsplätze in Bundesministerien in aller Stille von 60,8 Prozent auf 45,25 Prozent verringert.

 Schleichender Prozess: Nach und nach ziehen immer wieder Mitarbeiter der Ministerien nach Berlin um.

Schleichender Prozess: Nach und nach ziehen immer wieder Mitarbeiter der Ministerien nach Berlin um.

Foto: dpa

Die deutliche Verschiebung ist die Folge eines schleichenden Prozesses, der sich aus einer Vielzahl kleinerer personeller, organisatorischer und baulicher Veränderungen erschließt, von denen jede einzelne unbedenklich erscheinen mag.

Doch die Summierung lässt bei den vom Berlin-Umzug hauptsächlich betroffenen Gebietskörperschaften Stadt Bonn, Rhein-Sieg-Kreis und Kreis Ahrweiler die Alarmglocken schrillen - zumal die noch drohenden Folgen der Bundeswehr-Strukturreform und der geplanten drastischen Verringerung des Personalbestands im Bundesverteidigungsministerium auf der Bonner Hardthöhe noch gar nicht eingerechnet sind.

Steht nicht im Berlin/Bonn-Gesetz klipp und klar, dass insgesamt der größte Teil der ministerialen Arbeitsplätze in Bonn verbleiben soll? Ist die reale Entwicklung denn dann nicht vielleicht rechtswidrig? Mit der juristisch kompetenten Beantwortung dieser Frage haben die drei betroffenen rheinischen Gebietskörperschaften einen der renommiertesten deutschen Rechtswissenschaftler und Staatsrechtler beauftragt: Markus Heintzen ist Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Freien Universität Berlin.

Dessen 37-seitiges Gutachten liegt seit wenigen Tagen auf den Schreibtischen des Bonner Oberbürgermeisters Jürgen Nimptsch, des Siegburger Landrats Frithjof Kühn und des Ahrweiler Landrats Jürgen Pföhler. Das Gutachten liegt seit Donnerstag aber auch dem General-Anzeiger in Kopie vor. Auffällig ist, wie sich ein Rechtswissenschaftler in diesem Fall nicht nur mit juristischen, sondern auch mit mathematischen und linguistischen Problemen herumschlagen muss.

Wie ist zum Beispiel das schwammige Wort "soll" im Berlin/Bonn-Gesetz zu interpretieren? Bedeutet es eher "muss" oder "kann" oder irgendwas dazwischen? Heintzen: ",Sollen` ist weniger als ,müssen`, aber doch etwas rechtlich Verbindliches. Soll-Vorschriften besitzen auf jeden Fall normative Qualität." Und hat man "den größten Teil der Arbeitsplätze" als "50 Prozent plus ein Schreibtisch" oder eher als 100 Prozent minus ein Schreibtisch" zu verstehen?

Fest steht für den Berliner Professor, der vor 52 Jahren in Eitorf geboren wurde, in Bad Honnef zur Schule ging und in Bonn studierte, unterm Strich: Dass, was der Bund da treibt, ist eindeutig rechtswidrig - aber die Stadt Bonn hat wohl keine sehr großen Chancen, juristisch dagegen vorzugehen ("weil die Bundesstadt als juristische Person des öffentlichen Rechts grundrechtsunfähig ist"). Dem Rhein-Sieg-Kreis, dem Kreis Ahrweiler und dem Land NRW fehle diese Möglichkeit nicht nur praktisch, sondern schon theoretisch, weil sie nur mittelbar betroffen seien.

Zweitens: Ein Konflikt zwischen Gesetz und Realität könne auch zugunsten der bestehenden Realität gelöst werden - indem das Gesetz geändert wird. "Ein neueres Gesetz hat Vorrang vor dem älteren Gesetz, nicht umgekehrt. In der Rechtswirklichkeit sind die meisten Gesetze Änderungsgesetze zu schon vorhandenen Gesetzen", schreibt der Gutachter. Hier sieht Heintzen nur die juristische Möglichkeit, auf das juristische Gut des Vertrauensschutzes zu pochen.

Und auch darauf, dass die Bezeichnung "Bundesstadt" mehr sei "als eine Etikette, die man aufkleben und wieder abziehen kann." Aber es sei "festzustellen, dass eine Änderung des Berlin/Bonn-Gesetzes grundsätzlich zulässig ist; ein Bestandsschutz für dieses Gesetz wäre verfassungsrechtlich nicht mehr begründbar". Markus Heintzen war am Donnerstag nicht bereit, dem General-Anzeiger Auskünfte zu seinem Gutachten zu erteilen: Das sei alleinige Sache der Auftraggeber.

In einer gemeinsamen Stellungnahme äußerten sich am Donnerstag Oberbürgermeister Nimptsch und Landrat Kühn: "Das in Auftrag gegebene Gutachten befindet sich noch im Entwurfsstadium und wird in naher Zukunft noch einmal mit dem Gutachter besprochen. Wenn die offizielle Version vorliegt, werden wir gerne eine Stellungnahme abgeben. Zu einem derzeit noch nicht offiziell autorisierten Gutachten kann eine Stellungnahme jedoch nicht abgegeben werden."

Ähnlich zurückhaltend äußerte sich am Donnerstag Ahr-Landrat Jürgen Pföhler: "Bei dem Gutachten handelt es sich um einen Entwurf, den wir zunächst auswerten und in den Gremien des Kreises Ahrweiler besprechen werden, ehe wir eine endgültige Stellungnahme abgeben können."

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