Bonner Japanologe: Harsche Kritik an deutscher Regierung

Professor Reinhard Zöllner hat das Erdbeben in Tokio miterlebt: Die deutsch-japanischen Beziehungen seien nachhaltig gestört, so der Wissenschaftler.

Bonner Japanologe: Harsche Kritik an deutscher Regierung
Foto: Barbara Frommann

Bonn. Heftige Kritik an der Bundesregierung, an deutschen Unternehmen und Medien übte am Dienstag der Japanologe an der Universität Bonn, Professor Reinhard Zöllner. Die deutsch-japanischen Beziehungen seien nachhaltig gestört, so der 49-jährige Wissenschaftler, der vor zwei Wochen von einem neunmonatigen Forschungsaufenthalt aus Tokio zurückgekehrt ist.

Der Besuch von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in Tokio am 2. April sei in Japan ganz und gar nicht als "Solidaritätsbesuch" aufgenommen worden. Japanische Medien hätten heftig kritisiert, dass Westerwelle gegenüber seinem Amtskollegen Takeaki Matsumoto die Informationspolitik im Zusammenhang mit der Katastrophe in Fukushima beanstandet habe.

Ebenso sei in Japan mit Irritation aufgenommen worden, dass die Bundesrepublik als einziges EU-Land wenige Tage nach dem Erdbeben vom 11. März ihre Botschaft in Tokio geschlossen und bis heute nicht wieder geöffnet habe. "Dafür bestand objektiv überhaupt kein Anlass", so Zöllner, der es "persönlich" verstehen könne, wenn Botschaftsangehörige wegen der Ereignisse beunruhigt seien.

"Aber eine Botschaft zu schließen und zu verlegen, das ist schon ein Akt." Das Technische Hilfswerk sei nach drei Tagen zurückgekehrt, während andere Hilfsorganisationen weiterhin vor Ort gearbeitet hätten.

Viele deutsche Einrichtungen hätten ihr Personal abgezogen, nachdem die Bundesrepublik den Versicherungsschutz für ihre Staatsbürger in Japan nicht mehr gewährleistet habe. Hinzu sei gekommen, dass auch der Besuch einer deutschen Parlamentariergruppe anlässlich des 150-jährigen Bestehens der deutsch-japanischen Beziehungen ersatzlos abgesagt worden sei.

Der Diplomat Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg schloss 1861 für Preußen einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit Japan. Das sollte feierlich begangen werden.

"Und die Lufthansa hat ihre Flüge eingestellt, während andere große Linien ununterbrochen geflogen sind", so Zöllner. Das alles seien Signale, die in der japanischen Öffentlichkeit sehr aufmerksam wahrgenommen würden. "Nicht von Beginn an, aber jetzt immer mehr."

Andererseits seien die Japaner aber von der enormen Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung überwältigt.

Was in der deutschen Wahrnehmung unterschätzt werde, sei die bis heute anhaltende Kette von Nachbeben. "Das zerrt ganz schön an den Nerven", erzählte Zöllner, der in seinem Stadtteil in Tokio sehr viel Glück gehabt habe.

Außer ein paar schiefe Bilder und umgekippte Vasen sei bei ihnen nicht viel geschehen. Dennoch haben seine Frau und er den 17-jährigen Sohn und die Zehnjährige eine Woche vor der geplanten Abreise nach Deutschland geschickt. Die 21-jährige Tochter, die dort studiert, sei aber geblieben.

Das Institut für Orient- und Asienwissenschaften richtet am mittwoch von 18 bis 22 Uhr eine Benefizveranstaltung mit Musik, Imbiss, einem Flohmarkt und Vorführungen für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Japan aus: Regina-Pacis-Weg 7.

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