Bonns anspruchsvollstes Puzzle

Steinmetz Olaf Krautien und Bildhauer Rainer Pape setzen den Pranger wieder zusammen

  Welches Stück  passt wohin? Steinmetz Olaf Krautien bei seiner Sisyphos-Arbeit in der eigens angemieteten Halle.

Welches Stück passt wohin? Steinmetz Olaf Krautien bei seiner Sisyphos-Arbeit in der eigens angemieteten Halle.

Foto: Malsch

Beuel. 150 große und kleine Einzelteile liegen auf dem Tisch. Die sechs größten aber hätte der wohl kaum ausgehalten. Sie warten auf dem Boden - fein säuberlich aufgereiht auf Holzplatten mit Filzbezug - bis sich Steinmetz Olaf Krautien und Bildhauer Rainer Pape an die Arbeit machen.

Auf einem weiteren Tisch an der Wand befinden sich die "Werkzeuge" der beiden Männer, die sich bereits aus der Lehre kennen: Handschuhe, Harz, Pinsel, Spachtel und Spritzen. Was sich nämlich in der Halle, die der Steinmetz extra zu diesem Zweck gemietet hat, befindet, ist Bonns zurzeit wohl anspruchvollstes Puzzle: der Pranger.

Vor gut einer Woche haben Krautien und Pape den Auftrag der Stadt bekommen, die Sandsteinsäule wieder zusammensetzen - und direkt mit der Arbeit angefangen: Einige der roten und weißen, teilweise mit Patina überzogenen Steine sind bereits numeriert, alle sind fein säuberlich geordnet - was gehört nach innen, was nach außen, was war oben und was lag unten, was gehört zur Säule und besteht aus Sandstein, was gehört zum Sockel und zur Kugel und besteht aus Trachyt?

"Wenn die Restaurierung beendet ist, kann man sagen, wie hoch die Gesamtkosten sind", sagt Krautien, und schaut auf das alte Rechtssymbol, das er bereits seit mehr als einem Jahr in seiner Werkstatt lagert. Im Juli 2005 nämlich hatte ein Lkw die Säule, die jahrhundertelang auf dem Münsterplatz stand, angefahren, der Pranger fiel um, brach in der Mitte durch und wurde in 250 Einzelteile zerlegt ( der GA berichtete).

Weil sich Stadt und Versicherung des Fahrers lange Zeit nicht einig wurden, wartete Krautien so lange auf den Auftrag, den er seit vergangenem Dienstag in der Tasche hat. "Wir setzen den Pranger aus 150 Stücken wieder zusammen, das sind alle Teile, die mindestens walnussgroß sind", erklärt Krautien. Dies sei eine Vorgabe vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege gewesen.

Die Löcher, die dadurch entstehen, werden mit Kunstsandstein gefüllt und sind etwas zurückgesetzt, "um Alt und Neu unterscheiden zu können". Nachdem die Stücke sortiert und numeriert worden sind, beginnt die Puzzlearbeit: Welche Bruchstelle gibt Hinweis auf ein anderes Stück, welcher Farbton passt genau? Kurzum: Welches Stück gehört wohin? "Die kleinen Stücke setzen wir zu etwas größeren zusammen", erklärt Krautien.

Diese werden auf die Unterseite der Sandsteinsäule gelegt. Mit der Oberseite wird dann ausprobiert, ob alles passt. "Wenn alles zusammengesetzt ist, können wir keine Teile mehr einsetzen", sagt Pape. Fehlende Stücke könnten üble Folgen haben: Wenn die Säule nicht komplett dicht sei, könne zum Beispiel Wasser eindringen. Wenn es dann friert, würde die Säule gesprengt.

Deswegen hofft Krautien auch, dass die Souvenirjäger, die Teile des Prangers mit nach Hause genommen haben, sie an ihn zurückgeben. Ansonsten ist für die Standfestigkeit des Prangers gesorgt: Der Sockel, der noch auf dem Münsterplatz steht, wird abgelöst, das Fundament untersucht. Wenn das nicht in Ordnung sei, "wird es entfernt und neu ausgegossen", so Krautien.

Ähnliches blüht den Eisendübeln in Sockel und Kugel: Wenn sich herausstellt, dass sie nicht mehr halten, werden sie durch neue ersetzt. Zum Schluss wird alles verdübelt. "Es ist eine Herausforderung, den Pranger so zu restaurieren, dass keine Volumenvergrößerung stattfindet", sagt Pape. Wenn jedes einzelne Stück auf ein weiteres geklebt werden würde, hätte man nach vollendeter Arbeit einen doppelt so umfangreichen Pranger.

"Wie wir das machen, soll allerdings unser Geheimnis bleiben", sagt der Bildhauer und lächelt. Die Arbeit an der Sandsteinsäule, die voraussichtlich im Mai oder Juni fertig ist und dann mit einem Kranwagen wieder aufgestellt werden soll, ist den beiden sehr wichtig: "Dieser Pranger hat einen enormen kunsthistorischen Wert", sagt Krautien.

Und Pape fügt hinzu: "Wenn man allein an der Säule arbeitet, dann ist es so, als würde der Stein mit einem sprechen. Dann hört man das ganze Leid, das sich hier wohl abgespielt hat."

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