Bündnis ruft zur neuen Afghanistan-Konferenz an den Rhein

Im November 2011 soll die Bundesstadt am Rhein durch das Treffen ein weiteres Mal zur internationalen Konferenzbühne werden. Guido Westerwelle, selbst Bonner, hatte Ende Oktober in Berlin für eine nächste Afghanistan-Konferenz außerhalb des Landes Unterstützung angeboten.

Bündnis ruft zur neuen Afghanistan-Konferenz an den Rhein
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Lissabon. Rangin Dadfar Spanta hat keine Zeit. Gipfel sind Gipfel. Ein Termin jagt den anderen. Das Übliche bei diesen Konferenzen. Gut, Spanta ist seit Anfang des Jahres nicht mehr Außenminister der islamischen Republik Afghanistan. Er ist jetzt als Mitglied der afghanischen Delegation zum NATO-Gipfel nach Lissabon gereist.

Doch er ist in Eile. Eigentlich. Aber Bonn? Ah Bonn, der Petersberg und das Jahr 2001. Spanta muss nicht lange überlegen. Er bleibt in der halb geöffneten Tür stehen. Petersberg-Konferenz 2001? "Da habe ich dagegen protestiert", sagt der Mann, der in den 90er Jahren Dozent für Politikwissenschaft in Aachen war. Damals waren es Proteste gegen das empfundene Diktat der Amerikaner, die politische afghanische Elite für die Afghanen auszuwählen.

Neun Jahre später ist Spanta mit Vehemenz dafür, dass die nächste Afghanistan-Konferenz nach Bonn zurückkehrt. Im November 2011 soll die Bundesstadt am Rhein durch das Treffen ein weiteres Mal zur internationalen Konferenzbühne werden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP), selbst Bonner, hatte Ende Oktober in Berlin beim gemeinsamen Nachdenken mit seinem afghanischen Amtskollegen Zalmai Rasul für eine nächste Afghanistan-Konferenz außerhalb des Landes Unterstützung angeboten.

Rasul zeigte sich aufgeschlossen. In der Folge reiste der Afghanistan-Beauftragte der Bundesregierung, Michael Steiner, nach Kabul und sondierte bei Präsident Hamid Karsai. Bonn und besonders der Petersberg, so hieß es in Lissabon, hätten für die Afghanen einen geradezu "mystischen Klang".

Jetzt kommen sie wieder nach Bonn - im November 2011 soll erneut über Frieden, Freiheit und Stabilität in dem von 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg geschundenen Land verhandelt werden. Der Unterschied: 2001 waren die Vereinten Nationen der Veranstalter, dieses Mal sollen es die Afghanen selbst sein - mit den Deutschen als "gute Gastgeber", wie Westerwelle versichert.

Konferenzen könnten über ein Land wie Afghanistan nahezu jeden Monat abgehalten werden, so fragil ist die Lage am Hindukusch nach wie vor. Zuletzt hatten sich die Friedensmacher für Afghanistan im Frühjahr in London und im Sommer in Kabul versammelt. Seit geraumer Zeit ist als Wegmarke für die nähere Zukunft Afghanistans das Jahr 2014 genannt.

Bis dahin wollen die USA ihre Kampftruppen komplett aus Afghanistan abgezogen haben. Bis Ende 2014 sollen die Afghanen selbst für die Sicherheit im eigenen Land sorgen. Die internationale Staatengemeinschaft nennt dies: "Übergabe der Verantwortung". Eine schwere Bürde, die die Afghanen stemmen sollen. Präsident Karsai selbst hat die Jahreszahl 2014 ins Gespräch gebracht.

Was ihn so zuversichtlich macht, dass in vier Jahren das Land dafür auch gewappnet ist? Karsai steht auf der Bühne im Medienzentrum. Gerade hat er mit NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ein Abkommen unterzeichnet, in dem sich die Allianz bereit erklärt, auch über das Jahr 2014 hinaus eine langfristige Partnerschaft mit Afghanistan einzugehen.

Es ist vor allem eine politische Absichtserklärung. Karsai sagt, schon nächstes Jahr habe die afghanische Regierung 300 000 eigene Sicherheitskräfte unter Befehl. Womöglich hat der afghanische Präsident aber auch die Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Ohr, die ihn offen daran erinnert hat, die Regierung in Kabul möge doch auf den eigenen Baustellen für Ordnung sorgen: Kampf gegen Drogenhandel, Kampf gegen Korruption, saubere Regierungsführung.

2014, sagt sie später wie auch Rasmussen, bedeute ja nicht, dass dann kein NATO-Soldat mehr in Afghanistan stehe. Die Bundeskanzlerin ist in diesen zwei Tagen von Lissabon - wieder einmal - besonders gefragt: als Mittlerin. Die Mittelmacht Deutschland hilft auf und hinter der Bühne der Weltmacht USA.

Merkel appelliert an die Republikaner im US-Senat, doch möglichst das Start-Abkommen zwischen den USA und Russland über die Abrüstung strategischer Nuklearwaffen nicht weiter zu verzögern. Obama, innenpolitisch angezählt, braucht diesen Erfolg.

Und Merkel, von Obama für die US-Freiheitsmedaille nominiert, will die Chance der strategischen Partnerschaft zwischen der NATO und Russland nicht vorüberziehen lassen. Frieden. Freiheit. Sicherheit. Es sind ihre Themen. Die Kanzlerin sagt, die Zeit des Kalten Krieges müsse nun wirklich vorbei sein. Russland sei Partner, nicht Gegner. Weil Partner sich gemeinhin helfen, wollen die NATO und Russland an einem Raketenabwehrschirm zusammenarbeiten.

Ein Schirm für alle Fälle: Nur wie? An der Antwort auf diese Frage scheiden sich die Raketengeister. Russland will ein System "vom Atlantik bis zum Ural". Die NATO kann sich auch zwei Abwehrschirme vorstellen: einen der Allianz für das gesamte Bündnisgebiet und einen der Russen für das eigene Territorium - als Idealziel miteinander vernetzt. Das ist zwar Zukunftsmusik. Und jeder hört die Musik (noch) anders. Aber die Zukunft hat in Lissabon begonnen.

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