Joachim Gauck Bundespräsident ging mit Bonner Bürgern auf Tuchfühlung

BONN · Für vier Tage führt Joachim Gauck die Amtsgeschäfte vom Rhein aus. Am Montagnachmittag ist der Bundespräsident aber erst einmal 15 Minuten lang mit den Bonner Bürgern auf Tuchfühlung gegangen.

Seit 15.30 Uhr sitzt die 75-Jährige schon vor dem Gasthaus "Em Höttche" und wartet. Auf ihren Oberschenkeln liegt ein aufgeschlagenes Buch. "Joachim Gauck. Vom Pastor zum Präsidenten. Die Biografie" steht auf der ersten Seite geschrieben, zwischen ihr und dem Buchtitel steckt ein Kugelschreiber.

Die alte Dame wartet schon lange auf den Präsidenten, nicht erst seit halb vier. "Seit 30 Jahren warte ich auf den richtigen Präsidenten. Wenn ein neuer gewählt wurde sagte ich mir ,Der ist es nicht' und ,Der ist es auch nicht' und der Herr Wulff war es schon gar nicht", erzählt sie.

Aber der Herr Gauck, der ist es. Weil er so menschlich sei. "Und ich wünsche mir, dass er zu uns nicht nur als Repräsentant, sondern als Mensch spricht", sagt die alte Dame, beinahe selbst im präsidialen Tonfall. Und ergänzt: "Er ist doch mein letzter Präsident."

Mit der 75-Jährigen warten einige hundert Bonner vor dem Alten Rathaus, sie stehen im Halbkreis vor dem Bau und halten aus unerfindlichen Gründen respektvoll Abstand. Um 17.08 Uhr tritt der Bundespräsident schließlich vor die Türe und winkt lächelnd und urlaubsbraun.

[kein Linktext vorhanden]Ein Raunen geht durch die Menge, dann folgt Applaus. Am Fuß der Treppe nimmt ihn die Seniorin im Empfang. Aber Gauck will nicht unterschreiben, das Buch habe er nicht geschrieben. Die Augen seiner Verehrerin werden groß und größer. Der Präsident bemerkt ihr Unbehagen und setzt doch noch seinen Namen ins Buch. Dann setzt sich der Pulk in Bewegung.

Die Kameras rasseln, die Bonner rufen "Herr Gauck, ein Foto bitte" und "Herr Präsident, schön Sie zu sehen". Gauck schüttelt Hände, winkt in die Menge und posiert für Handyfotos. Nach wenigen Minuten wirkt das Lächeln manchmal gequält, unter der Bräune erahnt man hektische Röte.

Das Bad in der Menge ähnelt mehr einem Spießrutenlauf. Ein sommersprossiger Junge ruft, "Ey, gib's denn gar keine Autogrammkarten mehr?". Einer der Leibwächter greift in den Stapel, klemmt die Karte zwischen Mittel- und Zeigefinger und reicht sie blicklos nach hinten.

Vom Balkon des ehemaligen Metropol winkt ausgelassen eine Frau "Haaallo, Huhu". Gauck winkt zurück. "Das war ein altes, ehrwürdiges Kino", raunt Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch dem Gast zu. Der langt derweil über Wassermelonenhälften und schüttelt zwei verlegen lächelnden Händlern die Hände, "Hallo, wie geht's?". Schnellen Schrittes geht es über die Bonngasse, das Gedränge lässt etwas nach. Um 17.23 Uhr ist Gauck am Ziel: "Herr Präsident, willkommen im Beethoven-Haus."

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