Joachim Gauck in Bonn Bundespräsident zeigt sich begeistert von der Stadt und seinem Dienstsitz

BONN · Mit ein paar Stunden Verzögerung hat der Antrittsbesuch von Joachim Gauck am Montag in Bonn begonnen. Nachdem er beim Zahnarzt gewesen ist und endlich in der Bundesstadt angekommen war, zeigte sich der Bundespräsident aber begeistert von der Stadt und seinem Dienstsitz.

Zahnschmerzen können sehr unangenehm sein. Und sie können einem manchmal einen dicken Strich durch die Rechnung machen. Für Joachim Gauck war am Montag solch ein Tag. Mit Folgen für andere. Weil er am Sonntag Zahnschmerzen bekam, konnte der Bundespräsident nicht wie geplant am Montagmorgen nach Bonn fliegen, um für vier Tage seinen Amtsgeschäften von der Bundesstadt aus nachzukommen. Er musste erst einmal zum Zahnarzt.

"Der Präsident ärgert sich am meisten darüber", sagt Steffen Schulze, Sprecher des Bundespräsidialamtes, als er am späten Vormittag die Journalisten vor der Villa Hammerschmidt abfängt, die sich dort zum ersten Termin mit Gauck eingefunden haben.

Anstatt also zunächst die Mitarbeiter dort begrüßen zu können und den Journalisten zu erklären, was er in den vier Bonner Tagen machen wird, sitzt Gauck auf einem Berliner Zahnarztstuhl. Ausfallen muss auch das Mittagessen im Museum Koenig. "Um 8.45 Uhr kam die Absage. Da war das Essen zum Glück noch nicht gekocht", sagt Pressesprecherin Sabine Heine. Museums-Direktor J. Wolfgang Wägele wollte Gauck und dessen Lebensgefährtin Daniela Schadt nicht nur durch das Museum führen, sondern das Präsidentenpaar in der früheren Vogelbibliothek Alexander Koenigs auch bewirten.

Die hatte Konrad Adenauer 1949 zwei Monate lang als provisorisches Arbeitszimmer genutzt. Die Mitarbeiter des Museums seien "sehr traurig, aber haben natürlich Verständnis", sagt die Sprecherin. Das Bundespräsidialamt habe jedoch versprochen, bei nächster Gelegenheit werde das Museum wieder auf dem Besuchsplan stehen.

[kein Linktext vorhanden]Etwas traurig steht auch Frieda Ringelstein aus dem rheinland-pfälzischen Katzenelnbogen vor dem Museum. Zum Schluss des dreitägigen Besuchs bei ihrem Sohn Klaus in Bonn wollte sie unbedingt das Staatsoberhaupt sehen. Beide disponieren schnell um, fahren zum Marktplatz und warten nun dort - gemeinsam mit mehreren hundert anderen Bürgern - auf Gauck.

Die Polizei hält sich im Hintergrund, Absperrungen gibt es kaum, einige Bürger stehen fast schon auf dem roten Teppich. "In Berlin ist es sehr viel restriktiver und elitärer geworden", sagt Klaus Ringelstein, "hier in Bonn war es persönlicher, man hat die Politiker oft auf der Straße getroffen."

Um 15.40 Uhr fährt die Kolonne aus drei Limousinen und einem Kleintransporter auf dem Marktplatz vor. Als Gauck aussteigt, brandet Beifall auf. Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch geleitet den Präsidenten die Rathaustreppe hoch, oben winken die beiden den Bonnern zu, nehmen danach ihre Partnerinnen Daniela Schadt und Hanne Hufschmidt dazu. Großer Applaus dringt vom Marktplatz nach oben.

Wenige Minuten später beim Empfang im Gobelinsaal wird Gauck sagen: "Als ich eben oben auf der Treppe stand, habe ich mich daran erinnert, dass ich mich früher, wenn ich die Bilder von den Empfängen von Königen und Präsidenten hier in Bonn gesehen habe, immer zu den Bürgern da unten dazu gezählt habe." Daher sei es für ihn sehr bewegend, jetzt da oben zu stehen und winken zu dürfen. "Demokratie, die kannten wir damals ja nur vom Radio und Fernsehen." Es sind nicht nur daher gesagte Sätze, der Bundespräsident ist sichtlich bewegt.

Nimptsch begrüßt Gauck vor rund 100 Gästen, darunter Stadtdechant Wilfried Schumacher, Post-Chef Frank Appel oder Uni-Rektor Jürgen Fohrmann. Er hebt das bürgerschaftliche Engagement vieler Bonner hervor, erwähnt, dass die Stadt oft besondere Aufgaben erfüllt habe, als Residenzstadt der Kurfürsten, Landeshauptstadt, Finanzhochburg und eben nach dem Krieg als Bundeshauptstadt. Der OB lobt die vielfältigen Kulturaktivitäten und unterstreicht die Rolle Bonns als Internationale Stadt. Sein Fazit: "Wir können Wandel."

Eines habe er vermisst, sagt Gauck an Nimptsch gerichtet. "Ich habe auf eine Klage gewartet, aber die kam nicht." Statt dessen habe der OB von Plänen und Zufriedenheit gesprochen. Das zeige ihm, dass man in Bonn mit Zuversicht an die Dinge herangehe. "Bonn pflegt nicht mehr seinen Schmerz, dass man nicht mehr Bundeshauptstadt ist." Der Präsident zeigt sich darüber erfreut, genau wie über seinen zweiten Dienstsitz.

Gauck: "Eigentlich könnten wir ja hier bleiben"

"Als ich mit meiner Lebensgefährtin in die Villa Hammerschmidt gekommen bin, habe ich zu ihr gesagt: Das ist ja so schön hier, eigentlich könnten wir ja hier bleiben." Worauf die Gäste im Gobelinsaal begeistert applaudieren. Ein Satz, dessen Tragweite der Präsident offenbar nicht so recht einschätzen kann. Jedenfalls meint er wenige Minuten später bei einer improvisierten Pressekonferenz im Dienstzimmer des OB: "Ich weiß nicht, was meine Berliner Dienststelle jetzt dazu sagt."

Aber er wolle den Bonnern zusichern, dass er "zwar nicht regelmäßig, aber öfter hier sein" werde. Im September zum Beispiel aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit. Auch für Oktober sei bereits ein Termin in der Bundesstadt geplant. Bei einem dieser Besuche werde er sicher auch die Bonner Uni besuchen, von der er gerade eine Einladung bekommen habe. Vielleicht auch eine Schule?

An diesem Nachmittag sind zwei Lehrerinnen und 13 Grundschüler aus der Gottfried-Kinkel-Schule in Oberkassel ins Rathaus gekommen, um Gauck das Projekt Kinder-Klimabotschafter vorzustellen. Sie singen von Bonni und Bo, die im Klimaschutz oho sind, erklären, was ein Klimaführerschein ist, ernennen ihn zum "Ehrenklimabotschafter" und geben ihm Tipps für den Klimaschutz. Einer davon: "Bitten Sie Ihren Chauffeur, nicht schneller als 120 km/h zu fahren."

Den Weg zum Beethoven-Haus legt der Präsident nicht im Dienstwagen zurück, sondern nimmt ein Bad in der Menge, signiert hier ein Buch, schüttelt dort Marktbeschickern die Hände und schaut auch schnell noch in die Jesuitenkirche rein. Seine Lebensgefährtin geht etwas dahinter.

Fotowünsche erfüllt die frühere Journalistin ausdauernd. Letzter offizieller Programmpunkt dann im Beethoven-Haus. Direktor Malte Boecker überreicht unter anderem ein Faksimile der Mondschein-Sonate. Eine kurze Führung durch das Haus schließt sich an und ein kleines Konzert mit dem in Deutschland lebenden ungarischen Pianisten Peter Köczky. Von Zahnschmerzen war bei all dem nicht mehr die Rede.

Die Villa Hammerschmidt - das Weiße Haus am Rhein
Die Villa Hammerschmidt ist der Bonner Amtssitz des Bundespräsidenten. Das "Weiße Haus am Rhein" wurde in den vergangenen Jahren von den deutschen Staatsoberhäuptern kaum noch genutzt. Denn seit 1994 ist Schloss Bellevue im Berliner Tiergarten der erste Amtssitz. Vor der Übersiedlung nach Berlin war die Bonner Villa seit 1950 der einzige Präsidenten-Amtssitz. Als erstes Staatsoberhaupt zog Theodor Heuss ein. Später amtierten dort Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel, Karl Carstens und Richard von Weizsäcker. Erbaut wurde die Villa Mitte des 19. Jahrhunderts. Die ersten Eigentümer waren wohlhabende Industrielle. Die Villa war ein gesellschaftlicher Mittelpunkt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort