"Das Stadtbild hat sich negativ verändert"

GA-Interview mit Heidemarie Weide, die von einer schöneren Innenstadt träumt

"Das Stadtbild hat sich negativ verändert"
Foto: Barbara Frommann

Sie träumen von einem schöneren Bonn und wollen das Stadtbild ansehnlicher machen. Eine Gruppe Bonner Bürger ist aufgestanden, um etwas zu tun und hat dafür viel Beifall erhalten. Mit Heidemarie Weide, der Initiatorin der Anzeige "Wem gehört eigentlich der öffentliche Raum?", sprach Rolf Kleinfeld.

General-Anzeiger: Gefällt Ihnen Bonn nicht mehr?

Heidemarie Weide: Im jetzigen Zustand nicht. Bonn ist zwar von der Substanz her eine wunderschöne Stadt. Aber die Dinge, die sich in den letzten Jahren angehäuft haben, die den Stadtcharakter nicht mehr sichtbar machen - das gefällt mir alles überhaupt nicht. Und ich denke, dass man das jetzt konsequent angehen muss.

GA: Nennen Sie bitte Beispiele.

Weide: Es sind die vielen kleinen Dinge, die aber absolut störend sind. Ganz prägnant sind die Werbe-"Merkwürdigkeiten". Das fängt an mit unzähligen Klappständern, geht weiter mit Dreieckständern an Laternen und Bäumen, mit beschmierten und überquellenden Mülleimern oder mit Pollern und Streukästen, die ohne Sinn irgendwo stehen, aber nicht weggeräumt werden.

GA: In Ihrem Traum von einer schöneren Innenstadt finden sich viele bekannte Forderungen. Was ist daran neu?

Weide: Dass wir jetzt Druck ausüben wollen beim Stadtrat und der Verwaltung. Wir wollen sichtbar etwas durchsetzen, uns als Bürger einbringen, auch finanziell.

GA: Wie gehen Sie konkret vor?

Weide: Wir werden zuerst die vielen Antworten und Zuschriften auswerten, dann die "Gleichträumer" einladen und überlegen, wie wir weitere Aktionen starten können. Wir wollen die Menschen aus der Passivität in die Aktivität holen. Außerdem haben uns die Parteien und der Oberbürgermeister eingeladen. Ganz konkret wollen wir uns erst mal ein Projekt in der Stadt ausgucken.

GA: Welches soll das sein?

Weide: Als erstes der "kleine Hain" mit den Bäumen am Friedensplatz (Anfang Sternstraße). Wenn man sich den anschaut, ist es der Horror. Es gibt für diesen Ort bestimmt fünf verschiedene Zuständigkeiten bei der Stadt - für Telefon, Werbeschilder, Stromkasten und Fahrradständer. Unser Wunschprojekt ist eine Markthalle vor dem Hauptbahnhof. Dieser Wunsch wurde in vielen Zuschriften begeistert aufgenommen.

GA: Wie viele Unterstützer haben Sie für Ihre Aktion gewonnen ?

Weide: Wir hatten über 90 Zuschriften. 40 Menschen haben angeboten, sich aktiv zu beteiligen, einige davon auch finanziell. Manche wollen eine Patenschaft für eine ganze Straße übernehmen. Einen Verein zu gründen, halte ich für zu kompliziert. Wir überlegen, eine Stiftung ins Leben zu rufen oder einen Fonds, der treuhänderisch verwaltet wird. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

GA: Sie bekommen Lob von Oberbürgermeister und Parteien. Ist es nicht eigentlich deren Aufgabe, Verbesserungen für die City einzuleiten und umzusetzen?

Weide: Ja natürlich. In den letzten 15 Jahren hat sich das Stadtbild zum Negativen verändert. Natürlich hätte man da eingreifen müssen. Dabei gibt es für die City eine Gestaltungssatzung, die der Rat aber abgeschmettert hat und die dann in den Schubladen verschwunden ist. Nur für die Sternstraße und die Wenzelgasse hat man sie durchgesetzt.

GA: Wo sehen Sie die Grenze zwischen Bürgerengagement und Nörgelei?

Weide: Erst mal muss genörgelt werden. Es darf aber nicht dabei bleiben, denn damit allein erreicht man nichts. Dann muss man es ins Positive umkehren. Daraus kann sich dann ein Engagement entwickeln.

Zur Person:Heidemarie Weide lebt seit 30 Jahren in Bonn. Von 1986 bis 1996 führte sie das Kulturprojekt Syndikat mit Galerie, Musikbühne und ein Geschäft für Avantgarde-Mode.

Die 67-Jährige Modedesignerin ist kinderlos und wohnt mit ihrem Lebenspartner George Hoitz in der Thomas-Mann-Straße.

Einheitliche Werbe-Regeln für alleOffene Türen rennen die "Träumer" für eine schönere Bonner Innenstadt bei der Ratsmehrheit von CDU und Grünen ein. "Die Gestaltungssatzung Innenstadt wird ab 2010 für die gesamte Fußgängerzone umgesetzt", steht als Forderung in deren Koalitionsvereinbarung, die Anfang Dezember vorgelegt wurde.

"Da liegen wir mit unserem Zeitplan ja völlig richtig", fühlen sich Christiane Overmans (CDU) und Hardwig Lohmeyer (Grüne) nun bestätigt. Bereits in der März-Sitzung des Planungsausschusses soll nämlich die Satzung beraten werden, damit möglichst schnell einheitliche Werbe-Regeln für alle Geschäftsleute in der City gelten können. Bisher hatte sich die Politik mit dem Vorschlag der Stadtverwaltung zufrieden gegeben, eine "Gestaltungsoffensive" auf freiwilliger Basis einzuleiten.

Overmans und Lohmeyer kündigten auch regelmäßige Ortsbegehungen in der City an, bei denen unschöne Stellen gefunden werden sollen. Das betrifft auch die vielen "Fahrradleichen", die es in der City gebe. Was die Plakate im Straßenraum angeht, müssten sich die Parteien auch an die eigene Nase fassen, meinten sie.

Außerdem sollen Gastronomen gefragt werden, ob sie Hinweise an ihren Kneipentüren anbringen, dass auch Passanten die Toiletten nutzen könnten. Das sei besonders für Touristen hilfreich. Im Gegenzug könne die Stadt, die nur noch ganz wenige öffentliche Toiletten unterhalte, den Gastronomen einen Obolus bezahlen.

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