"Dem Fluss geht es wieder gut"

Fernsehreportage am Rüngsdorfer Rheinufer beleuchtet den Zustand des Stroms - Bestandsaufnahme nach der Sandoz-Katastrophe vor 20 Jahren

"Dem Fluss geht es wieder gut"
Foto: Lannert

Rüngsdorf. Hans-Werner Fittkau tritt von einem Bein aufs andere: "Gefühlte zwei Grad", fasst er die Wettersituation an diesem 1. November zusammen. Fittkau, Moderator beim Fernsehsender "Phoenix", steht am Rheinufer vor dem Hotel Dreesen, vor sich eine Kamera, hinter sich den Rhein.

Und der ist in den nächsten dreieinviertel Stunden Fittkaus Thema. Auf den Tag vor 20 Jahren, am 1. November 1986, brannte eine Lagerhalle der Chemiefirma Sandoz, hochgiftige Chemikalien, Biozide und Pflanzenschutzmittel gelangten mit dem Löschwasser in den Rhein, der Fischbestand bis hinauf nach Köln wurde hochgradig geschädigt, der Aalbestand komplett vernichtet.

"Wie geht es dem Rhein heute?", fragt Fittkau in der Sendung "Vor Ort", die live vor dem Hotel Dreesen produziert wird. Vier Interviews und sechs Kurzbeiträge sieht der Sendeablauf vor. Warum man den Standort Rheinkilometer 646 ausgesucht hat, wird zu Beginn der Sendung klar.

Als der Moderator nämlich um 14.45 Uhr sein "Guten Tag aus Bonn-Bad Godesberg" in die Kamera sagt, blickt der Zuschauer hinter ihm auf Petersberg und Drachenfels. "Wunderbar idyllisch", kommentiert Fittkau den Ausblick. Eine Sendung über die Geschehnisse vor 20 Jahren und das erste Interview mit Harald Irmer, dem Präsidenten des Landesumweltamtes NRW, folgen.

Die Zuschauer am Fernsehschirm sehen derweil eine Dokumentation über die Rückkehr der Rheinlachse, sicherstes Indiz dafür, dass die Wasserqualität sich deutlich gebessert hat. Fittkau blickt zum düsteren Himmel: "Haben Sie was zum Drüberziehn?", fragt er Heinz Quack vom Europäischen Tourismusinstitut in Trier.

Im geheizten Pausenwagen geht er mit seinem Interviewpartner noch schnell die Fragen durch. Zuerst jedoch muss Jost Armbruster vom Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz im badischen Bühl vor die Kamera. Es ist sein erstes Live-Interview. "Ich bin schon seit Tagen nervös", gesteht der junge Biologe. "Wo gucke ich hin?", fragt Armbruster. "Sie gucken mich an", beruhigt Fittkau.

Im Gespräch mit Fittkau berichtet er über Ufer-Renaturierungsmaßnahmen, die auf den Rheininseln Ballauf und Reissinsel bei Mannheim durchgeführt wurden. Ein "lebendiger Rhein" ist das Ziel. Dann erzählt Quack, dass der Rheintourismus nach dem Imageschaden durch den Chemieunfall ("Das Tschernobyl des Rheins", so Fittkau) wieder an Fahrt gewonnen hat und schwärmt routiniert von der "Erlebnisdichte" am Rhein.

Zwischendurch spürt ein Fernsehbeitrag dem Mythos Rheinromantik nach, ein anderer stellt die neue Fähre des Loreley-Fährmanns vor. Gerne hätte Fittkau auch einen Vertreter der Chemischen Industrie interviewt. Doch die "hat niemanden zur Verfügung gestellt", bedauert der Phoenix-Moderator.

Per Presseerklärung lässt der Verband der Chemischen Industrie jedoch wissen, dass seit dem Chemieunfall rund 4,6 Milliarden Euro zum Schutz des Rheins investiert wurden, etwa in den Bau von Kläranlagen oder die Umstellung von Produktionsverfahren.

Um kurz vor 18 Uhr gibt Fritz Holzwarth bei strömendem Regen und im Scheinwerferlicht am Rüngsdorfer Rheinufer Entwarnung: "Dem Fluss geht es wieder gut", meint der Präsident der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins, "die chemische Industrie hat ihre Hausaufgaben gemacht."

Die Herausforderung der Zukunft sei hingegen der Klimawandel. Zu erwarten sei "vermehrt Hochwasser, aber auch Niedrigwasser". "Niedrigwasser dürfte angesichts des Regens im Moment nicht das Problem sein", schmunzelt Fittkau und verabschiedet sich mit einem "Auf Wiedersehen aus Bonn-Rüngsdorf".

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