Hauptbahnhof Bonn Der geheime Bahnsteig 9¾

BONN · Wer kennt nicht das berühmte Gleis 9¾, über das Zauberlehrling Harry Potter und seine Freunde nach Hogwarts gelangten? Mit einer solchen Sehenswürdigkeit, wie sie in London am King's Cross Bahnhof real zu bestaunen ist, kann Bonn nicht aufwarten. Gleichwohl gibt es hier zwei andere Gleise - und dazwischen den geheimen Bahnsteig im Untergrund.

Er liegt in zehn Metern Tiefe unter den Hinterhof-Gärten der Kaiserstraße nahe der Bundesbahntrasse und ist für "normale" Fahrgäste ebenso unzugänglich wie 9¾. Selbst vom U-Bahnhof im Hauptbahnhof aus gibt es keinen Zugang.

Sparsam mit einigen Neonlampen ist der Ort beleuchtet und sieht ziemlich unfertig aus. 20 Meter lang ist der Bahnsteig und nur mit ein paar Mülleimern bestückt. Er liegt in der sogenannten Minus-2-Ebene, also noch eine Etage unterhalb der Stadtbahngleise im Hauptbahnhof.

Und wofür taugt dieser alte, 150 Meter lange Tunnelstutzen? Hier wenden die Stadtbahnen, die am Hauptbahnhof enden. Wer etwa der Linie 18 an der Endstation in Bonn hinterher sieht, wenn sie in die Tunnelröhre Richtung Süden fährt, sieht die Zuglichter ganz klein in der Ferne plötzlich nach unten wegkippen. Dann ist die Bahn bergab unterwegs zu dem versteckten Bahnsteig.

Dort angekommen, hält der Fahrer an, steigt aus und setzt sich ans entgegengesetzte Ende der Bahn. Die Stadtbahn kann dann in Gegenrichtung zurückfahren und die Fahrgäste eine Etage höher aufnehmen.

Ganz unten im Stollen, auf einem menschenleeren Bahnsteig, bis auf ein Graffito schmucklos, machen die Fahrer auch Pause. Ursprünglich wurde er angelegt, um von hier aus eine Verlängerung der Gleise in Richtung Westen in Angriff nehmen zu können. Doch um das Projekt Hardtbergbahn ist es ruhig geworden, weil Finanzierung, Streckenführung und Genehmigung noch nicht abschließend geklärt sind.

Jetzt wird der Tunnelstutzen als Abstellplatz für Stadtbahnen genutzt, besonders im Winter, damit die Türen nicht einfrieren. Die Luft ist erstaunlich frisch hier unten, sie strömt seitlich durch eine offene Tür hinein, von der aus ein Schacht nach oben führt. Dort gibt es in einer Ecke eine Toilette für die Fahrer. Und eine Stahltreppe, die zum verschlossenen Notausgang führt. Dort steht man dann urplötzlich im Hinterhof eines Hauses an der Kaiserstraße.

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