Erfolgreicher Sportler Der gehörlose Kevin Rohwedder hört den Startschuss nicht, er fühlt ihn

BONN · Der gehörlose Kevin Rohwedder schläft gern lang, chattet mit seinen Freunden - und ist ein erfolgreicher Leichtathlet.

 Erfolgreicher Sportler: Kevin Rohwedder zeigt seine Medaillen.

Erfolgreicher Sportler: Kevin Rohwedder zeigt seine Medaillen.

Foto: Ronald Friese

Den Startschuss kann er nicht hören, er fühlt ihn. "Hier, in meiner Brust", sagt Kevin Rohwedder. Das scheint hervorragend zu klappen. Der 17-Jährige läuft seiner Konkurrenz regelmäßig davon. 7,52 Sekunden braucht er für 60 Meter, 25,42 Sekunden für die 200 Meter. Das bedeutete zweimal Gold bei den bei den Gehörlosen-Leichtathletik-Hallenmeisterschaften in Halle an der Saale. Dazu kamen Silber und Bronze im Weitsprung und in der Staffel.

Seit seinem fünften Lebensjahr trainiert Kevin regelmäßig. Eigentlich kein Wunder. Schließlich wurden ihm die Sportgene quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater (und Trainer) Dirk Rohwedder, der ebenfalls gehörlos ist, schaut auf eine erfolgreiche Karriere zurück.

So war er unter anderem bei den Weltspielen der Gehörlosen in Neuseeland dabei, ist Weltmeister im Staffellauf und wurde mit dem Silbernen Lorbeerblatt, der höchsten Sport-Auszeichnung der Bundesrepublik, geehrt. "Mein Vater hat so viele Medaillen, und ich wollte selber welche haben", nennt Kevin mit einem charmanten Lächeln einen der Beweggründe, die ihn zu einem begeisterten Leichtathleten gemacht haben.

Die kurzen Strecken sind seine Paradedisziplin. "Mein Vater hat immer Wert darauf gelegt, dass ich mich bewege", sagt der 17-Jährige, der sich verbal und mit Gebärdensprache verständigt. Dank seiner beiden Hörgeräte kann er Geräusche wahrnehmen, was er nicht versteht, wird kurzerhand von den Lippen abgelesen.

Unter der Woche besucht er ein Internat für Hörgeschädigte in Dortmund und absolviert dort dreimal wöchentlich beim TV Wattenscheid seine Einheiten. "Mit Hörenden", wie er betont. Das sei etwas ("aber nur ein wenig") anspruchsvoller als das Training beim Kölner Gehörlosen-Sportverein 1902 (GSV), wo er am Wochenende, wenn er zu Hause ist, mit seinem Vater übt.

Wer meint, dass Kevin außerhalb von Schule und Laufbahn keine Lust mehr auf Sport hat, der irrt. "Sport steht über allem", sagt der 17-Jährige. Er spielt Fußball und Basketball, geht gerne spazieren, fährt Rad und Ski. Seine Freunde sind ebenfalls allesamt sportlich, sie kicken gemeinsam oder spielen Volleyball.

Zeit für eine Freundin bleibt da nicht. Manchmal holt er auch eine Zeitschrift oder ein Buch heraus, aber "ich lese eigentlich nur über Sport", sagt er. Denkt kurz nach, lächelt und schiebt hinterher: "Nein, stimmt nicht, Erdkunde mag ich auch gerne." Und dann fallen ihm doch noch einige Sachen ein, die er in seiner Freizeit gerne macht. Playstation spielen zum Beispiel. Oder chatten. Außerdem geht er am Wochenende meist spät ins Bett - und schläft dann bis 13 Uhr.

Das geht unter der Woche nicht. Dann muss Kevin - wie andere Jugendliche auch - fit für die Schule sein. Nach den Sommerferien wird er übrigens nach sechs Jahren das Internat in Dortmund verlassen und nach Essen gehen, um dort sein Abitur zu machen. Was danach kommen soll, weiß er noch nicht genau. "Ich mag gerne Flugzeuge und würde gerne etwas mit Flugzeugen machen", sagt er.

Auf jeden Fall aber bleibt er dem Sport treu. Sollte er auch. Schließlich kann er in seinen jungen Jahren schon beachtliche Erfolge vorweisen. Die Medaillen aus Halle an der Saale sind nämlich nicht die ersten, die Kevin mit nach Hause gebracht hat. 33 sind es insgesamt, 18 davon sind Gold.

Seine nächstes sportliches Ziel hat er bereits vor Augen: "Ich möchte gerne die 100 Meter unter zwölf Sekunden schaffen." Bislang waren es 12,05 Sekunden. Vielleicht klappt das ja in Berlin. Dorthin fährt er zu den Gehörlosen-Leichtathletikmeisterschaften. Und danach geht es zur Junioren-Europameisterschaft nach Polen.

Dort allerdings wird er den Startschuss nicht fühlen, sondern sehen. Denn in internationalen Kämpfen wird er durch eine Leiste visualisiert. Doch auch das wird bestimmt hervorragend klappen. Und Kevin wird hoffentlich auch der internationalen Konkurrenz davonlaufen.

Förderung

Kevin Rohwedder ist auf der Suche nach Sponsoren. Denn bis zu vier Paar Laufschuhe pro Jahr, die Fahrten zu den Wettkämpfen und ähnliches kosten viel Geld. Ein erster Schritt ist getan: Die Kreissparkasse Köln hat den 17-jährigen Leichtathleten in ihr Sportlerförderprogramm aufgenommen.

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