Der Herr der Zelte in Schweinheim

Die Feuerwehr rückt ab. Vier Tage haben die 30 Kameraden der Jugendfeuerwehr Kerken auf dem Jugendzeltplatz verbracht. Die Zelte sind in den Autos verstaut, der Zeltplatz ist geharkt, die große Küche blitzt vor Sauberkeit.

Der Herr der Zelte in Schweinheim
Foto: Ronald Friese

Schweinheim. Die Feuerwehr rückt ab. Vier Tage haben die 30 Kameraden der Jugendfeuerwehr Kerken auf dem Jugendzeltplatz verbracht. Die Zelte sind in den Autos verstaut, der Zeltplatz ist geharkt, die große Küche blitzt vor Sauberkeit. "Das Wetter hat nicht so mitgespielt, aber sonst war alles super - und der Jürgen ist ein ganz lockerer Typ", sagt Karlheinz Kleinmanns, Vize-Chef der Nachwuchsfeuerwehrleute. "Der Jürgen", das ist Jürgen Herrmann, der Leiter des Zeltplatzes.

Der 49-Jährige Herrmann, schulterlange Haare, Brille, Kapuzenjacke und Cordhose, ist für alle Besucher des Zeltplatzes da. Seine Aufgaben, sagt er, reichen "von den betriebswirtschaftlichen Belangen des Zeltplatzes bis zum Griff ins Klo". Er mäht den Rasen, hackt Holz für die Feuerstelle, räumt die beiden Schlafräume auf, wo sich die Gäste bei schlechtem Wetter in 18 Doppelstockbetten verkriechen können. Auf dem ehemaligen Bauernhof ist für Jürgen Herrmann immer viel zu tun.

Wenn es doch mal ein bisschen ruhiger ist, beobachtet Herrmann seine Gäste. Immer wieder ist er fasziniert, wie unterschiedlich die Gruppen sind, die den Zeltplatz aufsuchen. Die Jugendfeuerwehrleute, die den ganzen Tag in ihren Uniformen herumlaufen, christliche Gruppen, die in ihren Zelten "heilige Lieder singen" oder Pfadfinder, die als erstes die Schuhe ausziehen und fortan barfuß herumlaufen. "Und jeder", wundert sich Herrmann, "glaubt, er wäre der Normalste von allen."

Seit sieben Jahren hat Hermann das Sagen auf dem Zeltplatz. Sieben Tage in der Woche, 24 Stunden am Tag. Denn Jürgen Herrmann lebt mit seiner Frau und den drei Söhnen direkt am Platz. "Na klar, wenn ich vor die Tür komme, sprechen mich die Gäste an - egal ob ich frei habe oder nicht. Woher sollen sie das auch wissen?", sagt Herrmann. Manchmal nervt ihn das, aber die Vorteile überwiegen. Viel frische Luft, viele Kinder und Jugendliche um ihn herum - das zählt für ihn mehr.

"Wenn ich sehe, wie einige Gruppenleiter herumsitzen und sich dann wundern, dass die Kinder nur herumlaufen und irgendwann anfangen, Mist zu bauen - das kann ich nicht verstehen." Deshalb ergreift der Zeltplatz-Leiter gern selbst das Ruder und organisiert Waldrallyes oder Nachtwanderungen für die Gruppen. "Und dann sind die Leiter noch überrascht, warum die Kinder danach mir hinterherlaufen und nicht ihnen." Den Titel "Platzwart" mag Jürgen Herrmann übrigens gar nicht: "Das klingt mir zu sehr nach Blockwart".

Die ArbeitsstätteDer Bad Godesberger Jugendzeltplatz an der Venner Straße in Schweinheim bietet Platz für 100 Gäste. Im vergangenen Jahr kamen mehr als 4 700 Besucher. Willkommen sind alle Jugendgruppen. Insbesondere für die Wochenenden und Ferienzeiten sollte man sich sehr rechtzeitig bei Jürgen Herrmann unter der Rufnummer (02 28) 38 42 55 oder jugendzeltplatz-bonn@t-online.de anmelden.

In einem Raum des alten Bauernhofs hat sich Jürgen Herrmann ein kleines Büro eingerichtet. Das Regal an der Wand ist voll gestellt mit dicken Ordnern Drei bis vier Stunden sitzt er täglich am Schreibtisch, nimmt Anmeldungen auf, schreibt Rechnungen und kümmert sich um die Buchführung. Und er versucht, zusätzliches Geld für den Platz aufzutreiben. "Wir bekommen Fördergelder für unsere Arbeit mit Jugendlichen", erklärt Herrmann.

Normalerweise wird Herrmann von einem Zivildienstleistenden unterstützt. Doch im Frühjahr fehlt der häufig, denn die meisten Zivis fangen im Sommer an, Ende April sind sie dann wieder weg. Dann muss Herrmann Überstunden machen, seine Frau hilft ihm beim Saubermachen der Räume. Irgendjemand muss immer für die Gäste da sein.

Rund um die große überdachte Feuerstelle sitzen Kinder und Jugendliche und stochern in einem Feuer herum, das mehr Rauch als Wärme produziert. "Ihr müsst das trockene Holz nehmen, nicht diese nassen Stöckchen", erklärt Herrmann und lächelt. "Aber lieber so als andersrum: Ich hatte mal eine Feuerwehrgruppe hier, die beinahe die Feuerstelle abgefackelt hätte. Sie meinten, sie könnten nur mit Großbränden umgehen."

Gefunden hat Herrmann den Job per Zufall. Sein Sohn war zu einer Geburtstagsfeier auf dem Zeltplatz eingeladen, dort holte Herrmann ihn dann ab. "Das Gelände gefiel mir sofort", erzählt er. Ein halbes Jahr später las er in der Zeitung die Stellenanzeige.

Weil der gelernte Sozialpädagoge gerade einen neuen Arbeitsplatz suchte, bewarb er sich. Eigentlich steht der Zeltplatz nur Jugendgruppen offen, doch manchmal drückt Herrmann, der früher selbst mit Fahrrad und Zelt durch die Gegend gereist ist, ein Auge zu: "Wenn hier ein einzelner Wanderer oder Radler mit seinem Zelt ankommt, dann geht mir das Herz auf. Dem gebe ich dann gern einen kleinen Platz am Rand."

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