„Diamant“ oder „Wellen“, das ist die Frage
BONN · Zwei Entwürfe und zwei Architektenteams – Zaha Hadid und Hermann & Valentiny – sind nach dem internationalen Wettbewerb um das Festspielhaus noch im Rennen.
Auf der Homepage der in London lebenden Architektin Zaha Hadid findet man ein detailliertes Dossier über ihren Festspielhaus-Entwurf, den „Diamanten“. Darunter befindet sich auch ein Animationsfilm, in dem eine imaginäre Kamera das Festspielhaus, die „New Beethoven Symphony Hall“, auf dem Areal der Beethovenhalle umkreist. Eine bestechende Simulation. Aber würde der „Diamant“ auch auf dem neuen Standort seine Strahlkraft entfalten?
Das ist eine Frage, die man an die „Wellen“, den Entwurf des Luxemburger Architekturbüros Hermann & Valentiny stellen kann. Vor etwas über einem Jahr beantwortete François Valentiny sie bereits mit einer Fotomontage, die er im Bonner Universitätsklub zeigte: Vorne die „Wellen“, rechts im Hintergrund der Posttower. Für Valentiny eine reizvolle Variante.
Nun lässt sich ein Standortwechsel baulich nicht so leicht realisieren wie eine Montage im Computer. „Dies würde sicher auch ein paar Anpassungen der Entwürfe erfordern, aber die Kernfrage wäre, ob die Architekten ihre Zustimmung geben, da die jetzigen Entwürfe für einen bestimmten Standort entwickelt wurden“, sagt Post-Sprecher Dirk Klasen.
Im Juni 2009 war nach einem hochkarätig besetzten Wettbewerb die Entscheidung zugunsten der beiden Finalisten Hadid und Hermann & Valentiny gefallen. Zwei Entwürfe stehen jetzt zur Auswahl, die unterschiedlicher nicht sein können: Hier der im Umriss geschlossene „Diamant“, dessen Haut aber durch unzählige Öffnungen perforiert wird und ein lebendiges Spiel von Licht und Schatten verspricht, dort die große expressive Geste der „Welle“, die in zwei markanten Schwüngen das Dach des Festspielhauses prägt, dessen großzügige Fensterfronten dem Bau höchste Transparenz verleihen.
Für den Entwurf des international gefragten Architekturstars Hadid spricht, so die Jury, „die spektakuläre Architektur, die mit einem überraschend geringen Volumen erreicht werden kann und somit ein gutes energetisches Konzept ermöglicht“. Ferner meinten die Experten: „Die Öffnungen der Hülle versprechen ein interessantes Spiel aus Licht und Schatten.“
Charakteristisch für Hadids Entwurf ist ein „Canyon“, der beide nebeneinander liegenden Konzertsäle trennt, über die sich eine perforierte Haut aus Naturstein, Beton und Glas spannt. Die Struktur der Oberfläche entsteht durch ein Gitter aus Parallelogrammen, in die Drei- und Vierecke eingeschnitten sind. Kurvig geformte Foyers, ein komplexes System aus Treppen und Zugängen prägen das Innere. Hinzu kommen die Lichtreflexe, die durch die Deckenöffnungen in den Raum kommen.
Der große Konzertsaal an der Nordseite des „Canyons“ ist nach dem historischen Vorbild des Musikvereins in Wien rechteckig angelegt, eine sogenannte „Shoebox“. Kurvige Sitzreihen und die Balkone der Logen sollen „den Schuhschachtel-Charakter der Grundstruktur“ unterlaufen und für mehr Interaktion sorgen, liest man in den Erläuterungen zur Phase II des Wettbewerbs.
Auch Hermann & Valentinys „Wellen“ überzeugten: „Durch die Auffächerung des Baukörpers entsteht ein lichtdurchflutetes Inneres mit einmaliger Panoramasicht zum Rhein hin, das einen Konzertsaal verbirgt, der nach seiner Detaillierung in Phase II eine hohe klangliche Perfektion verspricht.“ Insgesamt sieben Wellenbänder, die über das gesamte Dach parallel zum Rhein aufgefächert sind, bilden die Außenhaut des Festspielhaus-Entwurfs. Jedes Wellenband wird von einem Schlitz begleitet, der Tageslicht in die Foyers und beiden Konzertsäle fallen lässt.
Der Besucher betritt das Festspielhaus über eine breit gelagerte Treppen- und Terrassenanlage. Von dort aus erhebt sich die über mehrere Geschosse reichende Glasfassade, die bis zum Wellendach reicht und den Blick auf Wandelgänge, das Foyer und den großen Konzertsaal freigibt. Der folgt in der Anlage der „durchgängig organischen, fließenden Formensprache“, die auch den übrigen Bau prägt, verknüpft Elemente der klassischen „Shoebox“ mit den Strukturen der Weinbergform („Vineyard“). „Sehr gute Sichtverbindungen – und damit auch sehr gute Hörverbindungen – sollen den Direktschall der Musik in jedes anwesende Ohr dringen lassen. Klangfülle wird außerdem durch die geometrisch notwendige Gestaltung der Reflexionsflächen (Wände, Balkone, Decke) erreicht“, heißt es in den Erläuterungen zu Phase II.
Welches Architekturbüro letztlich den Zuschlag für das Bonner Festspielhaus bekommt, ist eine spannende Frage, zumal die Deutsche Post nicht mehr allein entscheiden kann, da sie mit den erwarteten 30 Millionen Euro Anteil am Bau nicht das alleinige Sagen in der letzten Runde des Wettbewerbs hat. Bei der Post stellt man sich im Fall einer Realisierung auf Diskussionen mit weiteren Sponsoren ein. Nach der Entscheidung für einen der beiden Entwürfe kommen auf das Projekt Festspielhaus weitere Herausforderungen zu, wie Klasen anmerkt: „Als das Projekt auf Eis gelegt wurde, war der Architektenwettbewerb ja noch nicht abgeschlossen“, erklärt er, „es sind damals zwar viele Details schon in die beiden finalen Entwürfe eingeflossen, aber für die notwendige Ausführungsplanung und die Erarbeitung des Bauantrags müsste man nach unserer Schätzung sicher noch mal ein bis eineinhalb Jahre einplanen.“
Sein Fazit: „Selbst wenn also Mitte des nächsten Jahres alle notwendigen Entscheidungen getroffen wären, könnte frühestens Ende 2013/Anfang 2014 mit dem eigentlichen Bau begonnen werden.“