Die Anklage lautet auf Mord

Vor dem Schwurgericht muss sich seit Dienstag der Mann verantworten, der seine Ex-Freundin wochenlang verfolgte und schließlich mit zahlreichen Messerstichen tötete - "Es waren Todesangstschreie"

Die Anklage lautet auf Mord
Foto: Frommann

Bonn/Wachtberg. Leises Weinen ist zu hören, als Oberstaatsanwalt Robin Faßbender vor dem Schwurgericht die Anklage verliest und schildert, wie der Mann auf der Anklagebank am Nachmittag des 8. August 2007 die 32-jährige Sandra H. im Haus ihres neuen Freundes in Wachtberg-Villip mit zahlreichen Messerstichen tötete.

Sandras Eltern und Verwandte sitzen im Zuschauerraum, sie haben sich an den Händen gefasst, als wollten sie sich aneinander festhalten. Sandra H.'s 36-jährige Schwester sitzt dem Mann, der ihrer Familie so viel Leid zufügte, als Nebenklägerin gegenüber und blickt mit Tränen in den Augen auf Helmut B., der ihr die einzige Schwester nahm.

Der bullig wirkende 43-Jährige hat den Kopf gesenkt, er hat Probleme mit dem Reden, beim Versuch, sich nach der Tat den Hals durchzuschneiden, hat er sich nachhaltig geschädigt. Er musste vor wenigen Tagen erneut operiert werden. Helmut B., so sein Verteidiger, sei nicht mehr der Mann, der er bei der Tat war: Der Kampfsportler aus Sankt Augustin, der jahrelang straffällige Jugendliche trainierte, hat in der U-Haft 20 Kilo abgenommen.

Er ist nicht das erste Mal hinter Gittern. Der 43-Jährige, der als einziger Sohn eines nach seinen eigenen Angaben alkoholkranken und gewalttätigen Vaters selbst früh zu trinken begann, schaffte keine Ausbildung und landete mehrfach im Gefängnis, wo er eine Lehre zum Maurer abschloss.

Er versuchte sich später erfolglos mit mehreren Betrieben selbstständig zu machen, er hat eine Frau und zwei Söhne, die nun zu ihm halten, obwohl er die Familie wegen Sandra H. verließ. Er lernte sie 2005 bei einem Treffen der Hell's Angels kennen und sagt nun: "Sie war meine Traumfrau, ich habe sie abgöttisch geliebt, und sie mich auch." Dass er jemals gegen sie gewalttätig geworden sei, bestreitet er. Er sei auch nicht eifer- und kontrollsüchtig gewesen. Das aber hatte Sandra H. ihren Freundinnen berichtet.

Warum sie sich von ihm trennte, will er nicht verstanden haben. Sie sei plötzlich einfach nicht mehr heimgekommen. Und Drohungen habe er nie gegen sie ausgestoßen, auch nicht gegenüber ihren Eltern, versichert er. "Lügner", ist aus dem Publikum zu hören. Mehreren Zeugen hatte Sandra H. gesagt, Helmut B. habe gedroht: "Wenn ich dich nicht habe, soll dich keiner haben."

Am Tattag, so erklärt er nun, habe er unbedingt mit ihr reden wollen, sei er ihr vom Kindergarten aus gefolgt. Das Kampfmesser habe er nur eingesteckt, "um mich selbst zu töten, wenn sie nicht zu mir zurückkommt." Vor der Haustür des neuen Freundes, von dem er bis dahin nichts gewusst habe, sei es zum Streit gekommen. Er habe sich das Messer an den Hals gehalten, "und da hat sie mich beschimpft, beleidigt und gedemütigt", sagt er. Es klingt wie auswendig gelernt. An das, was er dann tat, will er keine Erinnerung mehr haben.

Doch Sandras neuer Freund hat andere Schreie gehört. Als Zeuge schildert der 42-Jährige den Albtraum, den er erlebte: "Es waren Todesangstschreie." Sandras Mutter bricht in Tränen aus. Dann sei er zur Tür gerannt, neben der er zuvor einen Baseballschläger deponiert hatte, habe die Tür geöffnet.

"Da sah ich, wie er auf Sandra einschlug und in seiner erhobenen Hand ein riesiges Kampfmesser hielt." Er habe mit dem Baseballschläger zugeschlagen, aber Helmut B. habe ihm das Messer durchs Gesicht gezogen, Sandra ins Haus gezerrt und die Tür zugeschlagen. Der Prozess wird fortgesetzt.

Die Anklage

Die Anklage wirft dem 43-jährigen Helmut B. Mord aus überzogenem Besitzdenken und gefährliche Körperverletzung vor. Weil er sich mit der Trennung nicht abfinden konnte, habe er die 32-jährige Kindergärtnerin Sandra H. vor der Tat verfolgt. Als er am 26. Juli gewalttätig wurde, zeigte sie ihn an und erwirkte bei Gericht eine Gewaltschutzverfügung, die es ihm verbot, sich ihr und ihrer Familie zu nähern. Doch er ignorierte das Verbot, und am 8. August 2007 tötete er sie.

Am Nachmittag dieses Tages folgte der Kampfsportler Helmut B. der 32-jährigen Kindergärtnerin nach deren Dienstschluss von der Kita in Lengsdorf zum Haus ihres neuen Freundes in Villip, schlug und stach vor der Haustür auf sie ein. Als ihr neuer Freund ihr zu Hilfe eilte, setzte Helmut B. ihn mit Messerstichen ins Gesicht außer Gefecht, zerrte Sandra H. ins Haus, schlug die Haustür zu und tötete sie im Flur mit zahlreichen Messerstichen. Dann stach er sich in Hals, Bein und Bauch, um sich selbst zu töten. Doch er überlebte.

Den Ermittlungen zufolge war der von seiner Ehefrau getrennt lebende Angeklagte und Vater mehrerer Kinder eineinhalb Jahre mit Sandra M. zusammen, bis sie sich vier Wochen vor der Tat von ihm trennte, laut Anklage auch wegen seiner Gewalttätigkeiten.

Mit denen war er schon früher aufgefallen: In seinem langen Vorstrafenregister finden sich Körperverletzungen und Raubüberfälle, zuletzt war er zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.

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