Interview mit Jürgen Nimptsch "Die Vorschläge werden Heulen und Zähneklappern auslösen"

BONN · Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch spricht im Interview mit dem General-Anzeiger über Sparpolitik und seine Rolle als Stadtoberhaupt.

Mit Ihrem Essay zur möglichen Opernfusion zwischen Bonn und Köln haben Sie viel Wirbel ausgelöst. Was hat Sie dazu getrieben?
Jürgen Nimptsch: Was mich antreibt, ist die Sorge, ob wir die Qualität in der Oper noch halten können, ohne den Schuldenstand der Stadt Bonn weiter zu erhöhen.

Jetzt lassen Sie Ihre Verwaltung prüfen, wie die Kooperation mit Köln aussehen könnte. Hätten Sie sich nicht erst eine Mehrheit im Rat organisieren müssen?
Nimptsch: Es ist notwendig, jetzt die Weichen zu stellen, wenn man von 2017 bis 2022 kassenwirksame Veränderungen haben möchte. Das ist jetzt Chefsache, und dann schauen wir, wo wir landen.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Erster Bürger, was die Stadtentwicklung betrifft? Wo profilieren Sie sich als Macher, als Visionär?
Nimptsch: Ich musste mich zunächst auf Probleme konzentrieren, die ich vorgefunden habe, vom WCCB bis zum Haushalt. Ich akzeptiere, dass wir für die Bereiche Kinder, Jugend und Familie noch Schulden machen, für andere Bereiche gilt das aber nicht. Vorige Woche hat der Verwaltungsvorstand zudem ein Strategiepapier herausgeben, das den schönen Titel "Zukunft Bonn" trägt .

Zur Spardisziplin hört man von Ihnen öffentlich gar nicht so viel.
Nimptsch: Wie bitte? Ich habe mit dem Verwaltungsvorstand für den letzten Haushalt Vorschläge gemacht, die wir 2011 der Bürgerbeteiligung im Internet zugeführt haben. Etwa 15 000 Bürger haben ihr O.K. für 49 Einsparungen im Umfang von 14,5 Millionen Euro gegeben. Bei 13 der 108 Vorschläge, in denen das Votum der Bürger "Contra" lautete, haben wir die Einsparung trotzdem vorgenommen, insgesamt 12,8 Millionen Euro, darunter 3,5 Millionen beim Theater.

Warum lassen Sie Ihren Personaldezernenten beim Streit um die Bezirksverwaltungsstellen im Regen stehen und stimmen gegen Ihre eigene Vorlage? Der Vorschlag, zehn Stellen zu streichen, brächte 500.000 Euro im Jahr. Beschlossen wurden sieben Stellen.
Nimptsch: Laut Gemeindeordnung entscheidet der OB, wie er die Verwaltung organisiert. Wir haben die Gremien dennoch mit einer offen gehaltenen Vorlage beteiligt. Es gehört zu meinem Führungsverständnis, dass die Bezirksbürgermeister in einer sie unmittelbar betreffenden Sache nicht vom OB "niedergestimmt" werden.

Gelingt es Ihnen, den Absturz in den Nothaushalt zu verhindern?
Nimptsch: Ja, auch wenn unsere Vorschläge bei einigen Heulen und Zähneklappern auslösen werden. Das ist oft so; alle sind fürs Sparen - zu viele aber nicht bei sich selbst.

Bleibt bei all den Repräsentations-Terminen, die Sie absolvieren, genug Zeit zum Führen der Verwaltung?
Nimptsch: Ja, ich arbeite ja für zwei - 70 bis 80 Stunden pro Woche.

Die Stadtverwaltung ist ein riesiger Apparat: Eine schwierige Führungs-Aufgabe für einen ehemaligen Schulleiter, oder?
Nimptsch: Ich war überrascht von einigen Strukturen, die ich vorgefunden habe. Ich habe in zwei Jahren durch rund 30 Organisationsverfügungen dafür gesorgt, dass vieles jetzt schneller läuft. Und mit der Organisationsuntersuchung gehen wir diesen Weg weiter.

Zu wichtigen Themen der Stadtplanung gibt es von Ihnen wenige klare Aussagen. Etwa zur Südüberbauung oder zum Viktoriakarree...
Nimptsch: An allen Vorlagen, die die Verwaltung entwickelt, bin ich beteiligt. Das gilt auch für das Viktoriakarree. Meine Vorgabe in ersten Investorengesprächen war: Das Projekt muss Raum für die Uni schaffen und eine attraktive Erweiterung der Fußgängerzone möglich machen. Das heißt auch, dass die neue Tiefgarage mit der bestehenden verbunden werden muss. Wir haben jetzt mindestens zwei solvente Investoren. Darum wollen wir die Ausschreibung starten.

Wie finden Sie die Pläne für die Südüberbauung am Bahnhof?
Nimptsch: Das ist bei weitem nicht geeignet, die städtebauliche Wunde zu heilen, die der Abriss der alten Gebäude gerissen hat.

Und warum haben Sie das bisher nicht öffentlich gesagt?
Nimptsch: Weil es nur eine Geschmacksfrage ist. Bei meinem Amtsantritt war das Genehmigungsverfahren im Wesentlichen gelaufen.

Bonn hat 2011 die Rheinkultur und die Konzerte auf dem Museumsplatz verloren: Hätten Sie als OB nicht mehr für eine Rettung kämpfen müssen?
Nimptsch: Ich starte keine Initiative ohne Erfolgschancen. Die Macher der Rheinkultur wollten nicht weitermachen. Beim Museumsplatz haben der Bund und sechzehn Bundesländer als Besitzer einmütig gesagt: Das Zelt kommt weg. Deswegen haben wir sofort nach Alternativen gesucht. Die neue Kunst!Rasen-Reihe in der Rheinaue und die Konzerte am Alten Zoll zeigen das.

Wie beschreiben Sie Ihr Verhältnis zum Stadtrat?
Nimptsch: Vielfältig wie der Rat selbst. Mit den drei großen Fraktionen CDU, SPD und Grüne treffe ich mich wöchentlich; mit den anderen, wenn sie mich einladen.

Der Verteidigungsminister will möglichst viele Mitarbeiter nach Berlin holen. Warum leisten Sie keinen Widerstand?
Nimptsch: Mein Ziel kann nur sein, Arbeitsplätze in dieser Stadt auf Dauer zu sichern. So habe ich mich Minister de Maizière gegenüber verhalten und bin mit dem Ergebnis einverstanden. Unterm Strich werden wir in nachgeordneten Dienstposten der Bundeswehr 200 Jobs mehr in Bonn haben als bisher. Das war im Zuge der Bundeswehrreform nicht zu erreichen, ohne dass man dem Minister entgegenkommt.

Die eigene Bilanz

Im OB-Wahlkampf war Jürgen Nimptsch mit zwei zentralen Aussagen angetreten: Bonn solle stark bleiben, und die Bürgerbeteiligung solle gestärkt werden. Dabei sieht sich der Oberbürgermeister auf einem guten Weg. Das Wachstum hat sich fortgesetzt. Es steigt die Zahl der Arbeitsplätze, der Einwohner, der Geburten, der Unternehmensgründungen und der privaten Investitionen, argumentiert Nimptsch. Dies sei möglich in einem Umfeld, für das die Stadt verantwortlich sei und in dem sie mit Investitionen für gute Arbeits- und Lebensbedingungen sorge. Noch nie sei so viel Geld für Bau- und Sanierung von Kindergärten und Schulen ausgegeben worden wie von Oktober 2009 bis Mai 2012 - 92,3 Millionen Euro. Seit Nimptschs Amtsantritt würden mehr Bürger in Entscheidungsprozesse einbezogen als je zuvor: mit Internetübertragungen aus dem Rat und der Bürgerbeteiligung auf dem Portal "Bonn packt's an". Beim WCCB konstatiert der OB ein Ende der "Lähmung seit August 2009". Die Stadt sei mit dem Heimfall wieder "Herr im Haus". Im Juli werde über die Vergabe des Generalplaner-Auftrags zum Weiterbau entschieden.

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