"Die Zeit der Trennung ist die gefährlichste"

Polizei zählt jährlich hunderte von Fällen häuslicher Gewalt gegen Frauen - Frauenhaus beklagt Geldnot

"Die Zeit der Trennung ist die gefährlichste"
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Bonn. "Gewalt gegen Frauen ist kein Unterschichtenphänomen", widerspricht Eva Risse einem weitverbreiteten Klischee. "Es gibt auch Ärzte, Richter und Psychotherapeuten, die ihren Frauen Gewalt antun", sagt die Mitarbeiterin des Vereins Frauen helfen Frauen, Telefonnummer (02 28) 63 53 69, der in Bonn das "autonome Frauenhaus", eines von zwei solchen Häusern unterhält.

Der Unterschied zu Frauen aus unteren Schichten sei eher der, dass die besser gestellten Frauen eben auch eher Möglichkeiten hätten, nach Gewalterfahrungen bei Freunden und Bekannten unterzukommen.

Wie prekär die Situation in Bonn ist, darauf wollen Risse und Kollegin Ulrike Große-Kreul am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen aufmerksam machen: Sowohl die 20 Plätze in ihrem, aber auch die 20 in dem Haus des Vereins Hilfe für Frauen in Not, Telefonnummer (02 28) 23 24 34, seien permanent belegt. "Es fehlen immer Plätze im Raum Köln/Bonn."

Eine Bewohnerin im autonomen Frauenhaus ist zurzeit Ruth S., die dort mit ihren drei minderjährigen Kindern Zuflucht fand, nachdem die Polizei sie bei einem Einsatz aus der Wohnung geholt hatten. Der Fall von Ruth S. muss anonymisiert werden, weil sie große Angst hat, dass ihr Mann sie und ihre Kinder aufspürt. "Die Zeit der Trennung und Scheidung ist für die Frauen die gefährlichste", so Große-Kreul.

Auch die Zahlen der Bonner Polizei belegen, dass Gewalt gegen Frauen - angefangen von der Androhung bis hin zu Mord - keine Randerscheinung ist. "2007 leitete die Polizei 399 Ermittlungsverfahren speziell bei Fällen häuslicher Gewalt ein", sagt Polizei-Sprecherin Daniela Lindemann. Bis Oktober waren es im Verhältnis noch einige Fälle mehr. "In mehr als der Hälfte der Fälle wurden die Männer der Wohnung verwiesen." Dieses Rückkehrverbot gilt für zehn Tage und wird von der Polizei überwacht. Den Frauen bieten die Beamten zugleich Beratung an und verweisen auf Hilfsangebote.

"Wenn Frauen die Chance bekommen, Unterstützung von außen zu erhalten, einen geschützten Raum wie ein Frauenhaus aufsuchen zu können, sich psychisch wieder zu stabilisieren und sich sozial neu zu verankern, ist ein Entkommen aus Gewaltverhältnissen möglich", meint Marita Blauth vom Verein Therapie und Beratung von und für Frauen ( www.tubf-frauenberatung.de).

Die ZahlenRund 45 000 Frauen flüchten in Deutschland jährlich in Frauenhäuser - vor der Gewalt ihrer Ehemänner, Partner oder Väter. Weitaus mehr Frauen machen ihre Probleme jedoch nicht öffentlich. Eine Studie der Bundesregierung von 2004 belegte, dass jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren in einer Partnerschaft körperliche oder - zum Teil zusätzlich - sexualisierte Gewalt erlebt hat. Die Gewalt reicht von Schubsen bis hin zu Mord.Doch die Hilfe kommt nicht selten schwer in Gang, kritisiert Eva Risse: "Oft erschweren bürokratische Hürden unnötig die Hilfe für die Frauen." Das autonome Frauenhaus fordert daher wie viele andere solcher Einrichtungen, "dass es endlich eine bundesweit einheitliche finanzielle Regelung für Frauen gibt, die Gewalt erlitten haben". Das autonome Frauenhaus beispielsweise könne ohne Spenden nicht alle Frauen in Not aufnehmen ( www.frauenhaus-bonn.de).

Flagge gegen Gewalt an Frauen zeigen buchstäblich auch die Gleichstellungsstelle der Stadt und der Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland, die vor ihren Gebäuden Fahnen hissen und sich damit einer Kampagne von Terres des Femmes anschließen.

Im Zentrum für Entwicklungsforschung, Walter-Flex-Straße 3, diskutieren am Dienstag um 19 Uhr Fachfrauen über das Thema "Frauen zwischen Rollenzwang und Selbstinszenierung". Die Veranstaltung findet im Rahmen der UNIFEM-Kampagne "Frauen geben 8" statt. Im Frauenmuseum, Im Krausfeld 10, veranstalten die Stadt und Terre des Femmes einen Infoabend (19 Uhr). Dabei geht es um die Benachteiligung von Frauen und Mädchen insbesondere in Krisengebieten.

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