Open Data in Bonn Die Zeit des Hoheitswissens ist vorbei

BONN · Zugegeben, moderne Pioniere vermutet man eher in Silicon Valley oder in schmuddeligen Garagen, wie sie über bahnbrechenden Ideen tüfteln. Nur die wenigsten dürften beim Stichwort Pionierarbeit an das Bonner Stadthaus denken.

 Open Data macht es möglich: Auf einer Website stellt die Verwaltung alle Bürgeranliegen auf dem Stadtgebiet dar. Nutzer können den Bearbeitungsstand auf einer interaktiven Karte einsehen.

Open Data macht es möglich: Auf einer Website stellt die Verwaltung alle Bürgeranliegen auf dem Stadtgebiet dar. Nutzer können den Bearbeitungsstand auf einer interaktiven Karte einsehen.

Foto: Marianne Suntrup

Und doch beginnt dort gerade ein Prozess, der ähnlich große Auswirkungen haben soll, wie einst die Einführung des Internets: Als eine der ersten Kommunen in Deutschland will die Stadt Bonn ein Open-Data-Portal anbieten.

Unter Open Data (deutsch: offene Daten) versteht man frei zugängliche Daten. Informationen, die vorher exklusiv die Verwaltung hatte, können jetzt von jedem, der es möchte, in jeder erdenklichen Form weiterverarbeitet, gestaltet und genutzt werden.

Das beginnt bei den genauen Standorten von Kitas, Ampeln und öffentlichen Toiletten über die beliebtesten Vornamen in einem Geburtsjahr bis hin zu Grundstückspreisen, aktuellen Baustellen- und Firmenstandorten und den genauen Haushaltdaten der Stadt. Privatleute, Vereine, Wissenschaftler oder Geschäftsleute können die roh bereitgestellten Daten nutzen und sie etwa zu Grafiken oder Übersichten machen, womit die Zahlen zu wertvollen Informationen werden.

Die meisten dieser Informationen können auch heute schon bei der Stadt erfragt werden, müssen dann jedoch von den Mitarbeitern mühselig zusammengesucht werden. Im Zuge des auf Jahrzehnte angelegten Open-Data-Prozesses will die Stadt im Alltag der Mitarbeiter nach und nach eine Automatisierung einführen. Neue Software soll so angeschafft werden, dass sie Open Data unterstützt.

In der jüngsten Ratssitzung haben sich Bonns Stadtverordnete für diesen Prozess ausgesprochen. Das war das Startsignal für Sven Hense, Projektgruppenleiter eGovernment in der Stadtverwaltung, an die technische Umsetzung eines Open-Data-Portals zu gehen. Das soll bis zum Sommer stehen "und dann schnell wachsen", sagt Andreas Leinhaas, Abteilungsleiter Verwaltungsorganisation und IT-Anwendungen bei der Stadt Bonn.

Zu Beginn werden das vor allem Datensätze sein, die die Stadt auch schon anderweitig zur Verfügung gestellt hat, wie Informationen zu Veranstaltungen, zum Haushalt oder aus dem Bonner Ratsinformationssystem. Seit 2012 bereitet eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern der Verwaltung, des Rates und externen Beratern und Initiativen diesen Schritt vor.

Das ist nötig, weil Bonn damit - neben einigen anderen Kommunen - Neuland betritt und viele rechtliche Fragen noch ungeklärt sind. Was ist mit dem Datenschutz? Siehe Text unten. Dürfen die Daten kommerziell genutzt werden und dürfen sie weiterverarbeitet werden?

Die letzten beiden Fragen möchte Leinhaas gern mit einem klaren Ja beantworten: "Wenn man Open Data ernst meint, dann muss es auch kommerziell nutzbar sein. Wir müssen uns als Verwaltung auch mit dem Gedanken abfinden, dass wir nicht mehr die Deutungshoheit über die Daten haben und einen gewissen Wissensvorsprung verlieren", sagt Leinhaas, allerdings ohne Bedauern. Denn sowohl die Bürger als auch die Verwaltung als Bereitstellerin der Daten werde von dem freien Zugang profitieren.

Ein Beispiel dafür gibt Klaus Greve, Professor für geografische Informationssysteme an der Uni Bonn, aus England, wo die Kommunen und Verwaltungen schon länger Open-Data-Portale betreiben. Die Verkehrsbetriebe London hätten jahrelang daran gearbeitet, ein Informationssystem zu bauen, dass die Fahrzeiten der U-Bahn in Echtzeit anzeigt. Im Zuge von Open Data sollte die Londoner U-Bahn die Daten ihrer Wagen veröffentlichen.

"Sie haben sich lange dagegen gewehrt", sagt Greve, der von Beginn an Mitglied der Arbeitsgruppe Open Data ist, "aber nach Veröffentlichung der Daten gab es bereits drei Monate später kostenlose Apps, die den Londonern die tatsächlichen Fahrzeiten angezeigt haben." Die Verkehrsbetriebe hätten das noch ein Jahr später nicht allein hinbekommen.

Info: In einer E-Mail-Umfrage sammelt die Stadt Bonn zurzeit Themen, zu denen sie dann die Daten bereitstellt. Mit einer E-Mail an opendata@bonn.de können Interessierte ihre Wünsche äußern. Auf www.bonn.de informiert die Stadt zum Thema Open Data und zeigt erste Anwendungsbeispiele.

Open Data und Datenschutz

Spätestens nach den Abhörskandalen des vergangenen Jahres haben viele Menschen beim Stichwort Offene Daten nicht nur positive Gefühle. Deshalb ist es den Beteiligten, die Open Data für Bonn umsetzen wollen, wichtig, klarzustellen, dass es bei dem Projekt keineswegs darum geht, persönliche und sensible Daten ins Internet zu stellen. "Das Projekt läuft in enger Begleitung mit dem Datenschutzbeauftragten der Stadt und dem Rechtsamt", verdeutlicht Andreas Leinhaas vom Amt für Organisation. Alle Daten würden anonymisiert und sensible persönliche Daten sind für das Projekt tabu. Es ist auch "technisch unterbunden, dass unberechtigte Zugriffe auf personenbezogene Daten wie das Melderegister möglich sind", sagt der IT-Spezialist, heißt: Die Daten sind so gesichert und getrennt gelagert, dass sie von Open Data ferngehalten werden. Leinhaas betont: "Wir gehen mit diesem wichtigen Thema sehr sensibel um".

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