Unterkünfte für getrennte Eltern Ein Bett für Papa

BONN · Eine Initiative vermittelt auch in Bonn Unterkünfte für Eltern aus anderen Städten, die ihre Kinder nach einer Trennung besuchen. Gründerin Annette Habert hat bei ihrer Bettenbörse vor allem das Wohl der Kinder vor Augen.

Mein Papa kommt: Diese Väter nutzen das Angebot der Initiative "Mein Papa kommt" zur Vermittlung einer kostenlosen Unterkunft bei Besuchen.

Mein Papa kommt: Diese Väter nutzen das Angebot der Initiative "Mein Papa kommt" zur Vermittlung einer kostenlosen Unterkunft bei Besuchen.

Foto: Flechtwerk2+1

Markus Köhler geht mit seiner vierjährigen Tochter Lena gerne in den Kölner Zoo, die beiden buddeln auf dem Spielplatz im Sandkasten oder unternehmen einen Ausflug in den Märchenwald. Hört sich an wie ganz normaler Familienalltag. Ist es aber nicht. Markus Köhler, der eigentlich anders heißt, musste sich jede Minute mit seinem Kind vor Gericht erstreiten.

Der Trennung von Lenas Mutter vor drei Jahren folgte ein erbitterter Rosenkrieg. Im Mittelpunkt des Streits: wann, wo und wie oft sich Vater und Tochter sehen dürfen.

Für den Spielplatzbesuch mit Lena muss sich Markus Köhler mehr als vier Stunden ins Auto setzen. Einmal im Monat darf der Hamburger ein verlängertes Wochenende mit seinem Kind in Bonn verbringen. Es gibt gerichtlich festgelegt Bring- und Abholzeiten, die Köhler, wie er sagt, akribisch einhält. "Ich will nichts tun, um die Besuche zu gefährden", sagt er.

Es ist ein penibel durchgeplanter Ablauf, der den Kontakt zwischen Vater und Tochter bestimmt. Gerade in der Anfangszeit beschäftigte Köhler dabei die Frage: Wo finde ich eine günstige Unterkunft, damit ich mir die Treffen mit meinem Kind langfristig überhaupt leisten kann?

Köhler hatte Glück. Eine Bekannte empfahl ihm die von München aus koordinierte Organisation "Mein Papa kommt". Die von Ehrenämtlern getragene gemeinnützige Initiative vermittelt bundesweit kostenfreie Übernachtungsmöglichkeiten an alleinlebende Eltern, die ihr Kind nach einer Trennung oder Scheidung in einer anderen Stadt besuchen. Sie stellt den Kontakt zwischen derzeit mehr als 400 privaten Gastgebern und 164 reisenden Eltern in ganz Deutschland her.

Gründerin Annette Habert hat bei ihrer Bettenbörse vor allem das Wohl der Kinder vor Augen. "Als alleinerziehende Mutter weiß ich, dass man trotz aller Anstrengungen nie das andere Elternteil ersetzen kann", sagt sie. Die kostenlose Unterkunft in einer - meist fremden - Stadt soll es getrennt lebenden Vätern und Müttern erleichtern, den Kontakt zu den Kindern aufrecht zu erhalten.

Denn das ist - trotz guter Vorsätze - nicht immer einfach. Markus Köhlers Frau stellte den Vater nach der Trennung mit ihrem Umzug samt gemeinsamem Baby von der Alster an den Rhein vor vollendete Tatsachen. "Die große räumliche Trennung von meiner Tochter war erst einmal ein Schock", erinnert sich der 38-jährige Vater. "Aber ich konnte nichts dagegen tun."

Zu dem Schmerz über die geplatzten Lebensträume kommen die ganz alltäglichen Probleme des Pendelns zwischen zwei Städten. "Ich hatte enorme Kosten", erinnert sich Köhler: "Zu den Übernachtungen kommen die Autofahrten, der Verdienstausfall als Selbstständiger, die Restaurantbesuche und Eintrittsgelder."

Seit Köhler sich bei "Mein Papa kommt" registriert hat, gehören zumindest die teuren Hotelübernachtungen der Vergangenheit an. Gleich mehrere Gästezimmer in Bonn stehen ihm bei seinen Besuchen zur Verfügung. Und es geht dabei nicht nur um Finanzielles.

"Als ich gemerkt habe, dass mir in einer so schwierigen persönlichen Lage ganz unbekannte Menschen selbstlos geholfen haben, ging mir wirklich das Herz auf", sagt der Hamburger. "Man fühlt sich aufgehoben."

Auch für die Gründerin der Initiative ist die emotionale Unterstützung der Eltern ein wichtiges Ziel. "Das eigentliche Geschenk ist nicht der Schlafplatz, sondern die Tatsache, dass auch die Eltern wieder Vertrauen in die Tragfähigkeit der Gemeinschaft fassen können", sagt die 52-jährige Religionspädagogin Annette Habert.

Sie sei überwältig gewesen, wie viele Gastgeber sich bei der Initiative gemeldet hätten. "Da gab es einen großen Vertrauensvorschuss", sagt sie. "Jeder Mensch kennt die Sehnsucht nach Nähe zu den eigenen Eltern."

Die Bonnerin Britta Horz hat vor drei Monaten einen Artikel über die Initiative "Mein Papa kommt" gelesen und spontan entschieden: "Das ist eine gute Sache, die Unterstützung verdient." Die vierfache Mutter und elffache Großmutter stellt "zwei Vätern ein Gästezimmer in ihrem Haus zur Verfügung".

Horz hofft nun, dass das Münchner Netzwerk für ihre Besucher einen Raum in Bonn findet, in dem sich Väter und Kinder tagsüber aufhalten können. Bisher gibt es nur in München einen sogenannten "SpielRaum", in dem Eltern und Kind gemeinsam Zeit verbringen können.

"Im Sommer gehen die Väter oft auf den Spielplatz", sagt Britta Horz. "Aber was sollen sie im Winter machen?" Der Hamburger Markus Köhler spielt mit seiner Tochter ab und zu im Auto. "Von Frühling bis Herbst sind wir nur draußen," sagt er. Ein anderer Vater nutzt das Tagesticket des Nahverkehrs für Rundfahrten mit Kind in Bus und Bahn.

"Die besuchenden Eltern und ihre Kinder begegnen sich in der Regel nur im öffentlichen Raum", sagt Annette Habert. "Dabei kommt der Alltag zu kurz: in einem privaten Umfeld die Füße hoch legen, Freunde einladen oder sich auch einmal wie in jeder normalen Familie zu streiten."

Der "SpielRaum", den jeweils ein Elternteil mit Kind kostenlos buchen kann, soll diese Normalität näherbringen. Bisher ist eine Ausweitung des Projekts auf weitere Städte an der Finanzierung gescheitert. "Wir arbeiten nur mit Spenden und überwiegend ehrenamtlich", sagt Annette Habert. "Es gibt viele Ideen, aber das Geld ist knapp."

Der Bedarf an Unterstützung ist dagegen groß. Rund 150.000 Kinder sind jedes Jahr nach dem Familienbericht der Bundesregierung von Scheidungen betroffen. Nach der Trennung der Eltern sei es für die Söhne und Töchter wichtig, möglichst viele Lebensumstände unverändert zu lassen, sagt Sigrid Andersen vom Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter.

Nach Trennungen der Eltern leben nach ihren Angaben rund 90 Prozent der Kinder bei ihren Müttern. Bei ihren Vätern wohnen eher die älteren Kinder, so die Verbandssprecherin. Nach ihren Erfahrungen funktioniert es nur in manchen Fällen, dass Eltern nach der Trennung ihre Familie in der Wohnung des Ex-Partners besuchen. "Oft ist die Atmosphäre zu angespannt", sagt sie.

Doch statt Harmonie der Kinder zuliebe herrscht zwischen den Ex-Partnern häufig Zwist. "Mütter ziehen nach der Trennung gerne in ihr altes Umfeld zurück, etwa in die Stadt ihrer Eltern" hat Uwe Ritzmann beobachtet, der sich im Verein "Väteraufbruch für Kinder Bonn/Rhein-Sieg" engagiert. Der Sankt Augustiner kennt die Probleme als getrennt lebender Vater dreier Töchter .

"Für viele Eltern sind die hohen Kosten durch das Pendeln zum Kind kaum zu stemmen", sagt er. Schließlich sorge bereits die Trennung der Familie in zwei getrennte Haushalte bei gleichem Einkommen für knappe Kassen. "Dazu müssen viele Väter Gerichtskosten tragen, wenn sie den Umgang mit ihrem Kind einklagen."

Markus Köhler sagt, er habe schon manches Mal kurz vor dem Aufgeben gestanden. Mit zitternden Händen habe er seinen Briefkasten geöffnet: bloß kein neuer Brief vom Anwalt der Ex-Frau. "Aber ich kann das Urvertrauen meiner Tochter doch nicht enttäuschen", sagt er.

In Bonn hat der Hamburger mittlerweile eine feste Bleibe gefunden. Seit zwei Jahren übernachtet er immer beim selben Gastgeber. Aus der Notlösung ist eine Art Freundschaft entstanden. "Wir freuen uns inzwischen beide auf die Besuche", sagt Köhler.

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