Freie Hebammen in Bonn Ein "essentieller Beruf" vor dem Aus

BONN · Auch in Bonn sehen sich freie Hebammen wie die der Praxis "Rundum" gezwungen, aus der Geburtshilfe auszusteigen. Erbärmliche Lohnsituation für Hebammen betrifft nicht nur Schwangere in ländlichen Gebieten, sondern auch in der Großstadt.

 Hebamme Keike Sroka horcht mit dem Hörrohr den Bauch von Julia Hamann ab, die im achten Monat schwanger ist.

Hebamme Keike Sroka horcht mit dem Hörrohr den Bauch von Julia Hamann ab, die im achten Monat schwanger ist.

Foto: Roland Kohls

"Ich fass' das nicht", sagt Julia Hamann. Die junge Frau im achten Schwangerschaftsmonat spricht Heike Sroka im Dottendorfer Geburtshaus auf die neusten Meldungen zur niedrigen Hebammen-Bezahlung an. Sroka ist eine der sechs hier zusammengeschlossenen freiberuflichen Geburtshelferinnen. Sie ist die Hebamme, die Julia Hamann regelmäßig untersucht und ihr die gesamte Schwangerschaft und über die Geburt hinaus zur Seite steht.

"Alles optimal. Das Kind ist gut gereift und hat sich mit dem Kopf nach unten in die richtige Lage gebracht", versichert Sroka der Schwangeren. Blutdruck, Gewicht und Stimmung der jungen Frau: alles im grünen Bereich. "Ich gehe hier immer sehr zuversichtlich raus, weil ich weiß, dass diese Hebamme mir auch bei der Geburt zur Seite stehen und einen Kaiserschnitt bestimmt vermeiden wird", sagt Hamann und lächelt. Das freundschaftliche Verhältnis mache sie bei ihrer ersten Schwangerschaft richtig stark.

Aber hätten sich nicht die Konditionen für freiberufliche Hebammen durch die in den jüngsten Meldungen verkündete Kostenübernahme von Haftpflichtsteigerungen durch die Krankenkassen verbessert, fragt die Schwangere. "Das war leider nur Taktik, um den öffentlichen Druck aus der Diskussion zu nehmen", sagt Heike Sroka und schüttelt den Kopf.

Dass sie hier mit ganzem Herzen letztlich ein teures Hobby betreibe, behebe diese kurzfristige Kostenübernahme nämlich nicht. Sie arbeite elf Tage am Stück, dazu in 24-stündiger Rufbereitschaft, um dann jeweils drei Tage frei zu haben. Und das letztlich für einen kümmerlichen Stundenlohn von 7,50 Euro. "Dafür würde kein Fliesenleger anreisen, und schon gar nicht mitten in der Nacht. Geburten kann man halt nicht programmieren."

Die aktuelle Meldung der Krankenkassen, nach Protesten der Hebammen dann doch 15 Prozent Haftpflichterhöhung für die Geburtshilfe zu übernehmen, gleiche nur die jüngste Erhöhung aus, erläutert Srokas Kollegin Ulrike Pauls, Mitgründerin sowohl des Bundesverbands "Hebammen für Deutschland" als auch des Bonner Geburtshauses.

"Diese Neuerung bezieht aber mitnichten die dramatischen Erhöhungen der letzten acht Jahre ein. Es macht mich also unheimlich wütend, wie dieser Schachzug jetzt von den Kassen und vom Bundesgesundheitsminister verkauft wird." Sie selbst sei schon vor zwei Jahren an den Punkt gekommen, dass sie sich aus finanziellen Gründen in der Schwangerenbegleitung andere Standbeine suchen musste.

"Die Geburtshilfe fehlt mir aber sehr", sagt Pauls bitter. Die sei jedoch von der Bezahlung her für immer weniger Kolleginnen zu leisten. Deshalb sei ein immer größerer Schwund zu erwarten, und es kämen keine jungen Kolleginnen nach.

"Auch unser Geburtshaus ist schwer am rudern. Wer weiß, wie lange wir das noch durchhalten", so Pauls. Die erbärmliche Lohnsituation für Hebammen betreffe nämlich bei weitem nicht nur Schwangere in ländlichen Gebieten, sondern durchaus auch in Bonn. Bald würden Frauen auch hier nicht mehr zwischen dem wechselnden Personal im Krankenhaus und der festen Familienhebamme wählen können.

"Es braucht also eine politische Lösung", so Pauls. Da hält es auch die Schwangere im Geburtshaus nicht mehr auf dem Stuhl. "Unbegreiflich. Hebamme ist doch für die Gesellschaft ein essentieller Beruf."

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