Ein Gentleman

Zum Tode von Joachim Westhoff, Chefredakteur des General-Anzeigers von 2000 bis 2008.

Ein Gentleman
Foto: Barbara Frommann

Joachim Westhoff kannte die Seinen - und die Seinen kannten ihn. Denn Joachim Westhoff pflegte eine altmodische Sitte, die in ihrer Herzlichkeit typisch für ihn war: Tag für Tag ging er durch die Ressorts seiner Redaktion und begrüßte die Kolleginnen und Kollegen mit Handschlag. Joachim Westhoff war ein Chefredakteur alter Schule. Einer, der seine Briefe - und es waren viele - mit dem Füllfederhalter schrieb.

Einer, der bis spät in die Nacht an seinem Schreibtisch in der Bonner Justus-von-Liebig-Straße saß und Lesern auf ihre Kritik, ihren Zuspruch, ihre Anfragen antwortete. Einer, der Formen mochte und Format hatte. Für manche fast eine Vaterfigur.

Am 9. Januar 1944 in Bonn geboren, kam Joachim Westhoff Anfang 2000 als Chefredakteur des General-Anzeigers zurück ins Rheinland. Da hatte er an Rhein und Ruhr bereits eine lange und erfolgreiche Wegstrecke im Journalismus zurückgelegt. Schon während des Studiums (von Germanistik, Geschichte und Politik in Tübingen, Washington, München und Berlin) arbeitete er für die Rheinische Post in Düsseldorf.

1972 ging Westhoff zur Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung nach Essen, 1978 wurde er ihr Nachrichtenchef. Drei Jahre später wechselte er als Politik-Chef und dann stellvertretender Chefredakteur zur Westfälischen Rundschau nach Dortmund, ehe ihn der General-Anzeiger nach Bonn rief.

Von Anfang an machte Westhoff klar, was ihm wichtig war: die Präsenz in der Redaktion genauso wie die Präsenz in der Stadt. Kaum ein Tag ohne Verpflichtung. Interviews morgens noch auf der Bettkante im Radio, Auftritte abends beim Fernsehsender Phoenix. Vorträge und Moderationen überall im Verbreitungsgebiet.

Mitgliedschaft oder Mitarbeit in vielen Institutionen, die für das Ansehen des General-Anzeigers wichtig sind: in der Föderalismusakademie wie in der Aktion Gemeinsinn, im Colloquium Humanum und beim Internationalen Club La Redoute, bei den Rotariern und in der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft oder auch im Thomas-Morus-Kreis in Bonn-Tannenbusch.

Westhoff war ein gefragter und ein geachteter Mann in der Stadt. Und der Bildungsbürger Westhoff war, was man bei seinem Habitus nicht sofort vermutete, ein Mann des Volkes. Einer, der der Regionalzeitung die Treue hielt, weil er nahe bei den Menschen sein wollte. Einer, der sagte, es komme ihm viel reizvoller vor, Zeitung für ganz normale Menschen zu machen als nur für Bildungsprivilegierte.

Joachim Westhoff schrieb Leitartikel - oft genug gegen den Strich. Typisch der, den er am 31. März 2008, dem Tag seines Abschieds, im General-Anzeiger veröffentlichte. Es ging um Politik, ihr Ansehen, ihren miserablen Ruf, die Tatsache, dass es schick sei, Politiker abzuwatschen. Westhoff hielt dagegen: "Die Triebkraft der Politik ist immer noch die Sorge um die Mitmenschen. Das ist die Regel."

So war Joachim Westhoff. Ausgleichend, das Positive suchend. "Die wichtigste helfende Hand befindet sich am eigenen Arm", schrieb er in einem anderen Kommentar. Und: "Er redete nicht lange, er kümmerte sich." Dieser Satz, den er selbst auf der Trauerfeier für einen Kollegen sprach, galt auch für ihn. Abseits aller Schlagzeilen.

Joachim Westhoff war kein Ruhestand vergönnt. Er ist am Dienstagmorgen seinem Krebsleiden erlegen. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau, seiner Tochter, seinem Sohn. (ul)

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