Interview mit Purple Schulz Eine Achterbahnfahrt durchs Leben

BONN · Anlässlich 40 Jahre auf der Bühne gastiert Purple Schulz ("Verliebte Jungs") am Freitag, 4. Oktober, in der Endenicher Harmonie. Der bekannte Kölner Sänger und Songschreiber im Interview.

 "So und nicht anders": Purple Schulz (rechts) kommt mit Gitarrist Andreas "Schrader" Dorn in die Harmonie.

"So und nicht anders": Purple Schulz (rechts) kommt mit Gitarrist Andreas "Schrader" Dorn in die Harmonie.

Foto: Repro: GA

40 Jahre auf der Bühne: Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Konzert?
Purple Schulz: Ja, das war 1973 in einem Jugendzentrum in Köln-Junkersdorf. Der Strom fiel aus, ich griff zur Gitarre und spielte unverstärkt, bis das Problem behoben war. Einen besseren Einstieg kann man gar nicht haben. Seitdem liebe ich unvorhergesehene Situationen, sie fordern das Improvisationstalent heraus.

Und irgendwann in den Neunzigern kamen die "Verliebten Jungs"-Zeiten. Wo steht Purple Schulz heute mit 57?
Purple Schulz: Heute bin ich liebender dreifacher Großvater, was mir kein Mensch glaubt. Aber Popmusik war immer Soundtrack meines Lebens, spiegelte in meiner Jugend meine Sorgen, Nöte und Hoffnungen wider. Warum sollte das im Alter anders sein? Leider ist oft das Gegenteil der Fall. Pop, wie er im Radio läuft, ist durchformatiert und langweilig. Aber die Menschen meiner Generation wollen Inhalte, und darum schreibe ich mit meiner Frau Texte, die etwas mit unserem Leben zu tun haben.

Das heißt, die rheinische Frohnatur singt in Bonn wirklich über Alzheimer?
Purple Schulz: Ja, abgesehen davon, dass es in unseren Konzerten viel zu lachen gibt, gehe ich auch ans Eingemachte. Wir sind nun mal in dem Alter, wo die Kinder groß geworden sind und wir uns zunehmend um unsere Eltern kümmern müssen. Und es gibt fast keine Familie, in der Demenz kein Thema wäre. Das Video, das mein Sohn Dominik zu diesem Song gedreht hat, wird mittlerweile von Dozenten in der Altenpflege eingesetzt, um Schüler zu sensibilisieren. Die Menge an Mails, die ich bekomme, ist überwältigend. Diese Anerkennung ist mir lieber als ein "Echo" für das beste Video, den man mit solchen Themen sowieso nicht bekommt. Da spar' ich mir auch gleich diese Pappnasenveranstaltung in Berlin.

... und Sie singen darüber, dass "Der letzte Koffer" gepackt werden muss?
Purple Schulz: Selbstverständlich. Und das mache ich dann auch noch direkt hinter einem Song, bei dem sich alle kaputtgelacht haben, weil er wirklich sehr albern ist. Aber genau deswegen, weil uns das Leben im nächsten Moment schon wieder einen kompletten Strich durch die Rechnung machen kann. Der Tod ist die einzige Sicherheit, aber keiner setzt sich damit auseinander. Und darum hole ich ihn ins Leben zurück. Und siehe da, er kann seinen Schrecken verlieren. Er ist dadurch nicht weniger traurig geworden, aber aushaltbarer.

Wie reagiert Ihr Publikum auf solche Texte? Wer kommt in die Konzerte?
Purple Schulz: Das Publikum ist mit mir gewachsen, älter und erfahrener geworden. Es sind Menschen, die sich mit ihrer Umwelt auseinandersetzen und, wie ich auch, manchmal entsetzt sind über gesellschaftliche Entwicklungen. Menschen, deren Bedürfnis nach Kultur und Unterhaltung nicht mit "Wetten, dass..?" befriedigt worden ist.

Aber Sie singen auch: "Spinnen ist wichtig. Verrückt sein braucht Mut."
Purple Schulz: Ja, das letzte Album "So und nicht anders" beginnt auf der Säuglingsstation und endet auf dem Sterbebett. Im ersten Song geht es um Motivation, um die Talente, die in jedem Kind schlummern. Aber auch um das System Schule, das ihnen Förderung versagt. Ein schwieriges Thema, das aber zum wahrscheinlich kraftvollsten und fröhlichsten Stück des ganzen Albums wurde.

Die Texte Ihres neuen Programms sind am Küchentisch mit Ihrer Frau entstanden?
Purple Schulz: Wir ergänzen uns einfach phänomenal. Wir diskutieren oft bis tief in die Nacht, schreiben und können dann gleich unten im Studio alles aufnehmen. Da erst erweist sich, ob der Text auch mit der Musik funktioniert. Wir haben mit einem Zitat des argentinischen Autors Jorge Bucay als Prämisse gearbeitet: "Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen - Erwachsenen, damit sie aufwachen." Insofern ist das Album auch eine Reihe von Kurzgeschichten, die zu einer Achterbahnfahrt durchs Leben werden.

Auf dem Album sind Sie mit Ihrer Band zu hören. Nach Bonn kommen Sie aber nur mit Ihrem Gitarristen Andreas "Schrader" Dorn?
Purple Schulz: Mit Schrader bin ich seit letztem Jahr unterwegs. Wir haben den gleichen Humor. Er ist nicht nur ein begnadeter Gitarrist, sondern ein großartiger Entertainer. Wir kommen durch die abgespeckten Arrangements ganz schnell an den Kern der Geschichten heran. Übrigens auch an den alter Hits wie "Sehnsucht", die nicht im Programm fehlen dürfen. Trotz allem ist das kein "Unplugged"-Programm, mitunter kracht das ganz gewaltig. Am schönsten aber ist, dass die Menschen etwas mit nach Hause nehmen, dass dieser Abend etwas mit ihnen macht.

Karten für das Purple Schulz & Schrader-Konzert "So und nicht anders" am Freitag, 4. Oktober, ab 20 Uhr in der Harmonie, Frongasse 28 in Endenich, gibt es für 27,70 Euro in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

Zur Person

"Ich will raus!" 1984 katapultierte dieser Schrei den Kölner Sänger Purple Schulz in die Charts. Für das Album "Verliebte Jungs" gab es zwei Goldene Schallplatten. Seither gehören seine Singles zu den meistgespielten deutschsprachigen Liedern. Der mittlerweile 57-Jährige schrieb die Musik fürs Kindermusical "Biene Maja", macht Kabarett mit dem Ensemble der Kölner Stunksitzung und ist mit seinem neuen Programm auf Tournee.

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