Einsatzleiter der Bonner Malteser berichtet von Loveparade-Tragödie

"Es liegt was in der Luft." Gedanken, die Robert Osten, Einsatzleiter der Bonner Malteser, schon einige Zeit vor der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg in den Sinn kamen, als er sah, dass viele Besucher schon früh das Veranstaltungsgelände wieder verließen und teilweise auf die Autobahn strömten.

Einsatzleiter der Bonner Malteser berichtet von Loveparade-Tragödie
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Bonn. "Es liegt was in der Luft." Gedanken, die Robert Osten, Einsatzleiter der Bonner Malteser, schon einige Zeit vor der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg in den Sinn kamen, als er sah, dass viele Besucher schon früh das Veranstaltungsgelände wieder verließen und teilweise auf die Autobahn strömten.

Den Grund kennt Osten bis heute nicht, doch viele, so sagt er, seien verärgert, staubig und durstig gewesen. Osten (26) war am vergangenen Samstag am Rande der Hauptbühne zwischen Autobahn und Tunnel zuständig für 400 Malteser bundesweit. Zunächst sei alles normal angelaufen, "Tagesgeschäft", sagt Osten.

Es habe Meldungen gegeben, wonach jemand einen Schwächeanfall erlitten, sich den Fuß verdreht hätte oder von einer Biene gestochen worden sei. Doch dann kam über Funk: "Wir haben hier fünf Verletzte. Wir haben hier 15, 20 Verletzte." Der 26-Jährige: "Und irgendwann hörte ich, dass es zehn laufende Reanimationen gab. Plötzlich war es der Super-GAU." Auf den bereite man sich in Katastrophenschutzübungen immer wieder vor, hoffe aber, dass er nie eintritt.

"Jetzt war es soweit." Osten schickte immer mehr Helfer an den Ort der Tragödie. "Es sieht aus wie im Krieg", berichteten ihm die Mitarbeiter später. Kollegen, die 18, 20, 25 Jahre alt sind, und den Krieg nie erlebt haben. Osten selbst zählte acht Rettungshubschrauber, die Verletzte wegbrachten und wiederkamen, um weitere wegzufliegen.

Er habe noch nie erlebt, dass eine neunte Hubschrauberbesatzung im Einsatz gewesen sei, um die anderen acht zu koordinieren. "Auf der A 59 sah es aus, als ob dort ein Flugzeugträger stehen würde." Ein paar Meter weiter rasten Krankenwagen hin und her. Wie wussten die Sanitäter, wo sie helfen mussten? Notärzte hatten den Menschen Schilder mit dem Grad der Verletzungen umgehängt. Auch denen, die bereits tot waren.

Die Musik auf der Bühne hat Osten zwar gehört, irgendwann aber nicht mehr wahrgenommen. Als die ersten Mitarbeiter nach zweieinhalbstündigem Einsatz zurück kamen, blickte der 26-Jährige "in verheulte Augen". Darunter seien sogar Helfer gewesen, die seit 20 und mehr Jahren im Katastrophenschutz tätig seien.

"Es waren gestandene Frauen und Männer, für die es schwer ist, das Erlebte zu verkraften." Im Einsatz selbst, "haben sie einfach funktioniert, wie eine Maschine. Sie wussten, was zu tun war." Doch danach brauchten und brauchen die Helfer selbst Hilfe. Und diese Seelsorge gewähren ihnen die Malteser. Osten: "Sie haben in Gruppen gearbeitet und werden in Gruppen weiter betreut. Wir lassen niemanden allein nach Hause gehen."

Und wie geht es ihm? "Es belastet mich schon, dass es Mitarbeitern aus der Führungsgruppe nicht gut geht", sagt Osten und denkt an die Planspiele, mit denen die Malteser auf Karten Rettungswagen und Sanitäter hin und her schieben, immer wieder, und so den Ernstfall simulieren. Nun sagt Osten: "Duisburg war tatsächlich Realität." Die wird es für die Malteser auch morgen sein. Wieder in Duisburg. Trauerfeier für die Opfer der Loveparade.

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