Elmar Struck: "Nur ein Teil der Priester kann enthaltsam leben"

Über Priester als Täter und die Abschaffung des Zölibats sprach Frank Vallender mit Elmar Struck, dem Leiter der Katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen Bonn.

 Dr. Elmar Struck leitet die Katholische Beratungsstelle in der Innenstadt.

Dr. Elmar Struck leitet die Katholische Beratungsstelle in der Innenstadt.

Foto: Barbara Frommann

Bonn. Über Priester als Täter und die Abschaffung des Zölibats sprach Frank Vallender mit Elmar Struck, dem Leiter der Katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen Bonn.

General-Anzeiger: Macht sich die Berichterstattung über Missbrauchsfälle in Ihrer Beratungsstelle bemerkbar?

Elmar Struck: Durchaus. Wir hatten zwar schon immer mit dem Thema sexueller Missbrauch zu tun. Aber manche Opfer sind durch die Berichte ermutigt worden, zu uns zu kommen und über ihren Missbrauch zu sprechen. Sie wollen das endlich mal "loswerden".

GA: Suchen auch Täter Ihre Beratungsstelle auf?

Struck: Ja, es kommen auch Täter und potenzielle Täter, beispielsweise jemand, der eine heftige Neigung zu seiner 13-jährigen Stieftochter verspürt und wissen will, wie er damit umgehen soll.

GA: Und wie sieht es mit kirchlichen Mitarbeitern aus?

Struck: Immer schon kamen aus Bonn, aber auch aus anderen Regionen Seelsorger und andere kirchliche Mitarbeiter, die sich zu entsprechenden Taten bekannten oder sich als mögliche Täter sahen und Hilfe suchten.

GA: Wie gehen Sie damit um, wenn Ihnen ein Klient eine strafrechtlich relevante Tat gesteht?

Struck: Wir haben eine Schweigepflicht. Aber wir konfrontieren die Täter mit dem, was sie getan haben. Wenn ein solches Vergehen fortgesetzt wird, haben wir die Pflicht, alles zu tun, damit es gestoppt wird. Dennoch sind unsere Mittel zunächst psychologischer Art. Es ist wichtig, dass es hierfür Räume gibt, wo solche Taten überhaupt zur Sprache kommen können. Schließlich ist Täterarbeit auch Opferschutz. Angehörigen rate ich im Übrigen immer zu einer Strafanzeige. In der Regel aber kommen Leute zu uns, die merken, dass mit ihrer Sexualität etwas nicht stimmt. Ein manifester Pädophiler kommt selten freiwillig zu uns.

GA: Trägt die katholische Kirche mit ihrer rigiden Sexualmoral und dem Zölibat mit dazu bei, dass Geistliche und Laienmitarbeiter sexuelle Straftaten begehen?

Struck: Der Zölibat ist nicht unmittelbar dafür verantwortlich, dass Priester Missbrauch begehen. Ein Teil der Priester kann mit dem Zölibat kreativ spirituell umgehen. Wenn aber die Forderung nach sexueller Enthaltsamkeit auf jeden Priester angewandt wird, bringt das der Kirche viele Bewerber, die nicht in der Lage sind, diese Herausforderung zu bewältigen.

GA: Das heißt, Sie würden der Kirche raten, den Zölibat abzuschaffen ...

Struck: Nur ein Teil der Priester kann enthaltsam leben. Das muss die Kirche wahrnehmen.

GA: Was muss die Kirche in Zukunft besser machen, um Missbrauch zu verhindern?

Struck: Sie ist zu sehr ein Schutz- und Schonraum des Schweigens und ein Raum, der Gelegenheiten für solche Taten schafft. Es gibt ein entsprechendes Reglement, wie man mit dem Thema sexueller Missbrauch bei Priestern umgeht. Das muss entschiedener angewandt werden. In der Priester-Ausbildung braucht es eine laufende Selbsterfahrung, bei der der Einzelne mit möglichen Problemen konfrontiert wird. Und Priester brauchen Supervision in den ersten Berufsjahren.

Zur PersonElmar Struck ist promovierter Psychologe. Der Psychoanalytiker und Gruppenpsychotherapeut leitet hauptamtlich die Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen Bonn Am Neutor 2 in der Bonner Innenstadt. Er ist unter der Rufnummer (02 28) 63 04 55 erreichbar.

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