Kommentar Erinnern, nicht löschen

Paul von Hindenburg war ein antidemokratischer Militär und Machtmensch, der einen nicht unerheblichen Anteil daran hatte, dass die Nationalsozialisten die Macht ergreifen konnten. Diesbezüglich kann man dem Urteil seriöser, aktueller Forschung trauen.

Und wer das Andenken dieses Mannes mit Hinweis auf seine militärischen Leistungen retten will, sei daran erinnert, dass diese insbesondere darin bestand, Tausende ohne mit der Wimper zu zucken in den Tod zu schicken, um sich selbst ein Denkmal zu setzen.

Sollte man so jemandem in Form von Straßen und Plätzen, die man nach ihm benennt, noch zusätzlich ein Denkmal setzen? Diese Frage kann man eigentlich nur verneinen. Soll man die Plätze deswegen nachträglich umbenennen? Auch hier lautet die Antwort: Nein.

In George Orwells Roman "1984" ist die Hauptfigur permanent damit beschäftigt, die Geschichte so umzuschreiben, dass sie mit der Gegenwart übereinstimmt. Ein gespenstisches Szenario, das einem bei der Diskussion um die Umbenennung von Straßen in den Sinn kommt.

Straßennamen sind wie geschichtliche Dokumente, sie erinnern an Vorlieben und - aus heutiger Sicht - auch Irrtümer einer Zeit. Als entpolitisierte Relikte geht von ihnen keine Gefahr aus. Niemand wird zum militaristischen Monarchisten, wenn er am Hindenburgplatz auf die Linie 62 wartet. Aber sie können lehrreiche zeitgeschichtliche Dokumente sein. Man sollte sich der Erinnerung stellen, anstatt sie zu löschen. Zum Beispiel, indem man die Schilder um einem kritischen Zusatz ergänzt.

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