Familientragödie in Kessenich: "Eine Befragung der Kinder birgt Gefahren"

Staatsanwaltschaft klärt Tatumstände und will dann mögliche rechtliche Konsequenzen prüfen

  Vergangene Woche  hatte ein 32-Jähriger in der Renoisstraße seine Frau und anschließend sich selbst erschossen.

Vergangene Woche hatte ein 32-Jähriger in der Renoisstraße seine Frau und anschließend sich selbst erschossen.

Foto: Barbara Frommann

Bonn. Im Fall der Familientragödie in Kessenich will die Staatsanwaltschaft erst dann über ein Verfahren gegen die Stadt Bonn wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen entscheiden, wenn alle Tatumstände geklärt sind. "Danach werden mögliche rechtliche Konsequenzen geprüft", sagte Behördensprecherin Monika Volkhausen dem GA auf Anfrage.

Wie berichtet, hatte das Jugendamt im September einen Hinweis auf einen Schusswaffenbesitz des 32-jährigen Mannes, der vergangene Woche seine Frau und sich selbst in der Renoisstraße erschossen hatte, erhalten, diesen aber nicht an die Polizei weitergegeben.

Die 13-jährige Tochter der Erschossenen hatte in der Schule berichtet, dass der Vater die Mutter mit einer Waffe bedroht hätte. Bei einem Anruf des Mädchens über Notruf bei der Polizei am 7. August war davon keine Rede. Nach GA-Informationen war die 13-Jährige zu Hause in einem Zimmer eingeschlossen und hatte über Handy der Polizei mitgeteilt, dass ihr Vater die Mutter verprügele.

Eine Streifenwagenbesatzung fuhr zur Familie und gab der 32-Jährigen den Hinweis aufs Frauenhaus. Dorthin zog die Frau mit ihren beiden Töchtern, kehrte aber später nach Hause zurück und zog dann zu Verwandten nach Kessenich.

Bisher hat die Stadt die 13-Jährige nicht zu den Vorfällen befragt. Aus nachvollziehbaren Gründen könne und wolle man das nicht, sagte Jugenddezernentin Angelika Maria Wahrheit. Die Mordkommission der Polizei, die in dem Fall ermittelt, hatte bisher keinen Kontakt zu dem Mädchen. Wahrheit: "Eine Befragung durch die Kripo bereits heute birgt die Gefahr, dass die traumatisierenden Erlebnisse der vergangenen Tage erneuert werden und so zusätzliche Belastungen entstehen, die die psychologische Situation der Kinder weiter verschärfen."

Um die Familie kümmern sich nach Angaben der Stadt zwei sozialpädagogische Betreuer. Das Familiengericht habe die Vormundschaft auf das Jugendamt übertragen. Pflegegeld für die Betroffenen sei bis Ende November angewiesen worden.

Nach Angaben des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) ist die Hemmschwelle beim Einsatz von Waffen, nicht zuletzt bei Beziehungstaten, in jüngster Zeit gesunken. Vor dem Hintergrund der Tat in Kessenich stellte Kay Wegermann, Stellvertretender Vorsitzender des BDK in NRW, klar, dass die Polizei auf "Hinweise jeglicher Art" angewiesen sei, um Straftaten zu verhüten.

"Erhält die Polizei indes erst gar keinen Hinweis auf eine sich möglicherweise zuspitzende Situation innerhalb einer Familie, bleibt sie zur Untätigkeit verdammt", so Wegermann zum GA. Wenn eine Behörde Hinweise auf sich abzeichnende Gefahren habe, müsse sie im Rahmen der Amtshilfe die für die Abwehr zuständigen Behörden über ihre Erkenntnisse unterrichten. Datenschutzrechtliche Hemmnisse dürfen es dann nicht geben.

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