Haushalt der Stadt Bonn Fast fünf Millionen Euro aus dem Bildungspaket noch nicht abgerufen

BONN · Die Stadt Bonn sieht sich vor einer Herausforderung, mit der sie lange nicht mehr konfrontiert gewesen sein dürfte: Sie hat Geld zu viel. Und nun stellt sich die Frage, was mit dem Geld geschehen soll. Konkret geht es um fast 4,8 Millionen Euro.

Sie stammen aus dem sogenannten Bildungspaket des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für das Jahr 2011. Es soll Kindern aus Familien mit geringem Einkommen zugute kommen, sie sollen so an Angeboten wie Mittagessen in der Schule, Klassenfahrten oder Sport- und Musikunterricht teilnehmen können.

Doch auch wenn für das Angebot mittlerweile großflächig in der Stadt geworben wird: Offensichtlich ist es immer noch wenig bekannt, denn beantragt wurde es kaum. So blieb von den fast sechs Millionen Euro, die der Bund der Stadt Bonn für das Bildungspaket überwiesen hat, viel übrig.

Dieses Geld steht mittlerweile dem allgemeinen Haushalt zur Verfügung. Das antwortet die Verwaltung auf eine Anfrage der Linken-Ratsfraktion, die wissen wollte, wie das Geld aus dem Bildungspaket eingesetzt wurde. Zwar müsse das Geld laut Verwaltung nicht zurückgezahlt werden. Allerdings gebe es von Land und Bund eine "Erwartungshaltung", dass das Geld für die Zwecke des Bildungspakets ausgegeben werden. "Die Fachverwaltung sieht die Möglichkeit, dass Mittel, die jetzt in den allgemeinen Haushalt einfließen, im Rahmen der Haushaltsberatung für Maßnahmen zur systemischen Unterstützung von Kindern und ihren Familien verwandt werden könnten", heißt es dazu in der Antwort der Verwaltung.

Insgesamt bewertet die Fachverwaltung das Bildungspaket skeptisch: "Eine Förderung der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche wäre aus Sicht der Fachverwaltung die weniger bürokratische und effektivere Möglichkeit der Unterstützung der sozial benachteiligten Kinder".

Einen Grund dafür, dass die Zuschüsse kaum beantragt werden, ist nach Ansicht der Verwaltung die Tatsache, dass das Gesetz erst Ende April rückwirkend in Kraft getreten ist und deswegen nur mit Verzögerung umgesetzt werden konnte.

Weitere Anlaufstellen geschaffen

Den vereinzelt erhobenen Vorwurf, dass die Stadt das Bildungspaket nicht genug beworben und bekannt gemacht habe, weist Sozialdezernentin Angelika Maria Wahrheit entschieden zurück. "Wir haben wiederholt in den Ausschüssen berichtet, welch große Anstrengungen die Stadt Bonn zusammen mit dem Jobcenter unternommen hat, alle betroffen Kinder und ihre Eltern über das Bildungs- und Teilhabepaket zu informieren und zu beraten", sagte Wahrheit. Es seien zudem weitere Anlaufstellen geschaffen und zusätzliches Personal eingesetzt worden. Zusätzlich seien die leistungsberechtigten Familien laut Verwaltung einzeln angeschrieben worden. Nach Angaben der Stadt ist mittlerweile auch ein leichter Anstieg bei den Antragszahlen zu verzeichnen.

Auch Wahrheit bewertet das Bildungspaket kritisch: "Eine wichtige Erklärung dafür, dass die Nachfrage nicht den Erwartungen entspricht, liegt in dem grundsätzlichen Webfehler des Bildungs- und Teilhabepaketes", sagte die Beigeordnete. Denn die Eltern müssten einen Antrag stellen. "Aber gerade die Familien, für die die Leistungen des Bildungspaketes besonders wichtig wären, sind dabei besonders zögerlich, das Verfahren stellt für sie oft schon eine zu große Hürde da", so Wahrheit.

Unabhängig davon hätten die Betroffenen auch vorher schon entsprechende Angebote von der Stadt Bonn bekommen, neben einer Mahlzeit für bedürftige Kinder auch materielle Vergünstigungen durch den Bonn-Ausweis.

Das wollen die Fraktionen:

Georg Fenninger, CDU-Fraktionsgeschäftsführer: "Dieses Geld sollte weiterhin Kindern und Jugendlichen zu Gute kommen, diese Zweckbindung muss bestehen bleiben. Es macht deshalb Sinn, diese Mittel im sozialen Bereich zu belassen und schnell ein Konzept zu entwickeln, wo das Geld stattdessen hinfließen kann."

Zehiye Dörtlemez, sozialpolitische Sprecherin FDP: "Wir erwarten, dass die Verwaltung in Zukunft vermehrt Öffentlichkeitsarbeit betreibt, um auf diese Mittel aufmerksam zu machen, und die Mittel an die Leistungsempfänger zu bringen, für die diese Mittel vorgesehen sind."

Dörthe Ewald, SPD-Sprecherin im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie: "Wir möchten, dass Bildung und Teilhabe dahin gebracht werden, wo die Kinder sind; über OGS-Ausbau, U3-Plätze. Die noch zu vergebenden Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket sind nicht zweckgebunden, sie können auch in eine Verbesserung der Tagespflege oder in den Sozialen Wohnungsbau gesteckt werden."

Dorothee Paß-Weingartz, Fraktionssprecherin Grüne: "Es kann nicht sein, dass dieses Geld, das für bestimmte Ziele vorgesehen war, in den allgemeinen Haushalt einfließt. Es sollte weiterhin in Projekte zur Chancengleichheit fließen. Es ist Aufgabe der Verwaltung, uns Vorschläge zu machen."

Michael Faber, Fraktionsvorsitzender Die Linke: "Bonn darf die Überschüsse jetzt nicht im Haushalt versickern lassen. Die Linksfraktion wird das Gespräch mit Wohlfahrtsverbänden und sozialen Einrichtungen suchen und konkrete Vorschläge für die Verwendung der Mittel unterbreiten. Wir müssen allen Kindern in Bonn Bildungs- und Teilhabechancen eröffnen."

Bernhard Wimmer, Fraktionsvorsitzender Bürger Bund Bonn: "Die Mittel, die bislang nicht abgerufen wurden, dürfen nicht mit der Gießkanne im Kinder- und Jugendbereich verteilt werden. Sie müssen weiter schwerpunktmäßig für den Kreis eingesetzt werden, der nach dem Willen der Bundesregierung gefördert werden sollte. Wir plädieren für ihren gezielten Einsatz bei der Verbesserung der Sprachkompetenz dieser Kinder und für deren musische Bildung."

Wie soll das Geld eingesetzt werden? Diskutieren Sie mit oder schreiben Sie uns einen Leserbrief an den General Anzeiger, Justus-von-Liebig Straße 15, 53121 Bonn.

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