Hilfe für Flutopfer Wie das DRK mit „Spontis“ aus Bonn in den Krisenregionen hilft

Bonn · Mit Schaufeln und Eimern bewaffnet schickt das DRK zurzeit viele Spontanhelfer in die überfluteten Katastrophengebiete. Koordiniert werden die Einsätze von der Endenicher Straße aus. Dort befindet sich auch das Zesabo, dass sich vor Sachspenden kaum noch retten kann.

 Sogenannte Spontanhelfer des DRK fahren mit einem Reisebus von der Beueler Gesamtschule aus an die Ahr, um bei der Räumung und Säuberung der überfluteten Häuser zu helfen.

Sogenannte Spontanhelfer des DRK fahren mit einem Reisebus von der Beueler Gesamtschule aus an die Ahr, um bei der Räumung und Säuberung der überfluteten Häuser zu helfen.

Foto: Benjamin Westhoff

Markus T. (Name geändert) steht mit geschätzt 20 anderen überwiegend jungen Leuten auf dem Parkplatz des DRK an der Endenicher Straße. Trotz der großen Gruppe ist es still. Kaum jemand spricht. Die Stimmung ist angespannt. Der 31-Jährige hat eine große Schaufel geschultert, um den Kopf trägt er ein Tuch. „Wegen der Sonne“, sagt er und zeigt zum strahlend blauen Himmel. Markus wartet auf seinen ersten Einsatz an der Ahr. Er hat sich wie rund 800 andere Bonnerinnen und Bonner in den vergangenen Tagen beim Roten Kreuz als Spontanhelfer gemeldet. Ziel des Hilfskonvois ist an dem Morgen Dernau.

Angeführt werden die Freiwilligen von erfahrenen DRK-Einsatzleitern. Einer von ihnen ist Peter Winter. Er hat sich bereits eine Stunde zuvor mit mehr als 54 „Spontis“, wie DRK-Helfer die Freiwilligen auch nennen, von der Integrierten Gesamtschule in Beuel aus in einem Reisebus – von Univers kostenlos bereitgestellt – auf den Weg nach Rech gemacht. Später springen die Stadtwerke Bonn mit kostenlosen Shuttlebussen ein, um die Helfer wieder abzuholen. Viele kennen DRK-Kreisbereitschaftsleiter Winter noch aus der Zeit, als die Flüchtlingswelle auch Bonn erfasste, Tausende von Menschen ein Dach über den Kopf brauchten und mit allem Nötigen zum Leben versorgt werden mussten. Damals hatte Winter ebenfalls an vorderster Stelle mitgearbeitet. Jetzt hat Winter in Rech innerhalb eines Tages das von der Flut ebenfalls stark betroffene Hotel Appell von Schlamm und Unrat befreit. „Das hat wirklich gut geklappt, wir haben das ganze Haus säubern können“, erzählt er einen Tag später dem GA. 

 54 überwiegend junge Leute haben sich als freiwillige Helfer beim Roten Kreuz gemeldet und bringen teilweise die Ausrüstung wie Gummistiefel selbst mit.

54 überwiegend junge Leute haben sich als freiwillige Helfer beim Roten Kreuz gemeldet und bringen teilweise die Ausrüstung wie Gummistiefel selbst mit.

Foto: Benjamin Westhoff

Markus T. findet die Idee mit den Spontanhelfern (siehe Infokasten) sehr gut. Er hat sich gerade erst registrieren lassen und für seinen Einsatz Urlaub genommen. „Mal sehen, vielleicht ist mein Arbeitgeber großzügig und gibt mir einfach so frei“, hofft er. Seinen richtigen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. „Es geht nicht um mich, es geht um die Menschen da draußen, denen ich helfen will.“

Szenenwechsel: In der Kreisgeschäftsstelle tagt gerade der Einsatzstab unter der Leitung von Wolfgang Lenz-Weinert. Der Rentner hat früher den Rettungsdienst des DRK geleitet und ist nun seit Tagen viele Stunden wieder für die Hilfsorganisation auf den Beinen. Lenz-Weinert koordiniert von Endenich aus den Einsatz in Dernau und Rech. Auch wenn er keine körperliche schwere Arbeit wie die „Spontis“ vor Ort verrichtet: Seine Arbeit ist ebenfalls Kräfte und Nerven zehrend. Die Erschöpfung steht dem 69-Jährigen ins Gesicht geschrieben, als er bei der Besprechung der nächsten Einsätze vor einer großen Tafel steht und notiert, was es wo in Rech und Dernau als nächstes zu tun gibt. Überwiegend junge Leute sitzen in DRK-Kluft an den Tischen vor ihren Laptops und hören ihm konzentriert zu. Jeder hat seine Aufgabe. Timo, Christoph und Lissy berichten nacheinander, wie der Stand der Dinge ist. „Wir haben eine Spende von Edeka über 3000 Würstchen und Brötchen, vier Gasgrills und 32 Paletten Wasser“, berichtet einer der jungen Männer. Die Verpflegung der Dorfbewohner und Helfer ist also für einen der nächsten Tage gesichert. Ohne Strom und Wasser kann dort zurzeit niemand Essen zubereiten. „Wir gucken von einem Tag zum nächsten, wie wir die Verpflegung organisieren können“, erzählt Lenz-Weinert dem GA. Später ist er froh zu hören, dass die Verpflegung bis zu diesem Sonntag steht.

Am Dienstag hatte sich ein ehemaliger Kollege von ihm, ein früherer Feldkoch des DRK, spontan bereit erklärt, für mehrere 100 Menschen vor dem Bahnhof in Dernau ein warmes Mittagessen zu kochen. Der Mann sei Hobby-Imker, „eigentlich war er gerade dabei, die Königin einzufangen, dann hat er aber alles stehen und liegen gelassen und uns geholfen“, sagt Lenz-Weinert. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Bei aller Trauer und Betroffenheit, die Freude über die vielen hilfsbereiten Menschen ist groß. Froh ist der Einsatzleiter über die Spende von Containern. Sie sollen schnellstmöglich als Medizinstation in Dernau aufgebaut werden. Von den drei Arztpraxen dort ist nur noch eine zur Hälfte funktionsfähig, weiß Lenz-Weinert.

 Die Erschöpfung steht Einsatzstabsleiter Wolfgang Lenz-Weinert ins Gesicht geschrieben.

Die Erschöpfung steht Einsatzstabsleiter Wolfgang Lenz-Weinert ins Gesicht geschrieben.

Foto: Benjamin Westhoff

Mehr als 800 registrierte Helfer für Gebiete der Flutkatastrophe

Begonnen hat sein Einsatz am Mittwoch vor einer Woche, erzählt er. Gerade einmal 18 Spontanhelfer hatten sich seit dem Aufruf im Mai bis dahin registrieren lassen. Inzwischen sind es mehr als 800. „Wir haben gegen 18 Uhr den Einsatzstab gebildet“, sagt Lenz-Weinert. Die Motorradstaffel des DRK wurde losgeschickt, um zu erkunden, wie man überhaupt noch in die überfluteten Gebiete gelangen konnte. Mit Tauchern und Booten fuhr die DRK-Wasserwacht zunächst in den Kreis Euskirchen, um Menschen von Dächern und aus den Fluten zu retten. Seit Freitag räumen und reinigen die Helfer Haus für Haus in Rech und Dernau. „Verpflegung, Trinkwasser und Räumen“, nennt Lenz-Weinert die im Augenblick wohl wichtigsten Begriffe bei den Einsätzen.

Nicht nur diese werden in der Endenicher Geschäftsstelle koordiniert und organisiert. Eine logistische Herausforderung für den Stab dort ist auch die Verteilung der Spenden, die die Räume an der Endenicher Straße mehr und mehr füllen. Soeben hat ein Bonner Baumarkt zig Eimer und Handschuhe gespendet. „Die können wir natürlich gut gebrauchen“, freut sich Lenz-Weinert. 

 Auch zerrissene Handtücher haben Menschen abgegeben. Solche Spenden kann Eric Meyer vom Zesabo an der Endenicher Straße gar nicht brauchen.

Auch zerrissene Handtücher haben Menschen abgegeben. Solche Spenden kann Eric Meyer vom Zesabo an der Endenicher Straße gar nicht brauchen.

Foto: Benjamin Westhoff

Nicht weit von der DRK-Geschäftsstelle entfernt, ein paar Häuser weiter, liegt das Zesabo. Das Zentrale Sachspendenlager hat Eric Meyer vor einigen Jahren zunächst als Flüchtlingshilfe mitinitiiert. Jetzt steht der Mann etwas ratlos in der großen Halle vor einem Berg mit prall gefüllten Säcken. „Der Berg war doppelt so groß, die Hälfte haben wir mit vielen freiwilligen Helfern bereits ausgepackt und sortiert.“ Vorige Woche, als die ersten Spendenaufrufe für die Katastrophengebiete an der Ahr und im Kreis Euskirchen erfolgten, erlebten Meyer und seine Helfer einen wahren Ansturm. „Die Autos haben teilweise an der Endenicher Straße geparkt, so viele Menschen kamen vorbei, um Sachen abzugeben.“ Jetzt nimmt das Zesabo erst einmal nichts mehr entgegen, sagt er. Weil so viele Spenden auf einmal aufliefen, hatten die Mitarbeiter keine Zeit, die Kisten und Säcke vorab zu sichten. So erweisen sich erst jetzt einige Spenden als völlig unbrauchbar, sagt Meyer und zeigt auf zerrissene Handtücher und stark verschmutzte Kinderkleidung. Diese Sachen müsse das Zesabo nun selbst entsorgen, was mittlerweile Geld kostet, sagt Meyer. „So etwas können wir hier überhaupt nicht brauchen.“

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