Francoise Decke war einst der Star des Revuetheaters

BONN · Die alte Dame auf ihrem gemütlichen Sofa in Kessenich streicht sich noch genauso elegant die Haare zurück wie auf dem Plakat von 1948. Das zeigt die bildhübsche Francoise Floré, wie sie als Star des Pariser Revuetheaters "Folies Bergères" im Londoner Hippodrome ankündigt wird.

 Francoise Floré während ihrer großen Zeit kurz nach dem Krieg. Repro: Max Malsch

Francoise Floré während ihrer großen Zeit kurz nach dem Krieg. Repro: Max Malsch

Die Künstlerin feierte 90. Geburtstag. "Da hatte ich als damals holländischer Kabarettstar vor dem Produzenten vorgesungen", erinnert sich die heute 90-jährige Francoise Decker lächelnd. Dann sollte sie noch den Rock ein bisschen über das Knie hochziehen, und dann sagte der Produzent: "Miss Floré, Sie können bei uns anfangen." Nein, nicht als Nackttänzerin, macht die fröhliche Dame sofort klar. Ihre Devise sei "Never ever", also "niemals", gewesen.

Die geborene Francoise Tollenaar alias "Miss Floré", der die Mutter den Künstlernamen der hübschen Alliteration wegen verpasst hatte, war als Chansonsängerin gefragt, als blonde Schönheit, die elegant mit mächtigem Krinolinenkleid und riesiger Feder auf dem Kopf die Revuetreppe hinunterschritt: zweieinhalb Jahre ohne Unterbrechung "twice a night", also zweimal pro Abend, in pausenlos wechselnden Kostümen und immer wieder neuen Rollen.

Immer als Star topfit sein und lächeln: Es sei eine herrliche Zeit gewesen, die ihr aber letztlich die Stimmbänder ruinierte, fügt Decker hinzu. "Pigalle", trällert sie jetzt noch einmal einen ihrer Hits von damals mit lyrischem Sopran, der auch heute noch im Internet zu kaufen ist. Wieder kommt dieses strahlende Lächeln. Die 90 Jahre sieht man der Diva weiß Gott nicht an. "Ich habe halt eine glückliche Natur", kommt Miss Floré der Frage nach ihrem Anti-aging-Tipp zuvor.

"So gesund wie ein Fisch im Wasser"

Sie sei im Leben mit jeder Situation zurecht gekommen. "Auch jetzt damit, dass ich fast blind bin, aber sonst so gesund wie ein Fisch im Wasser." Und dann holt die alte Dame unzählige Fotos und Zeitungsartikel von ihrer Karriere hervor. Da ist sie ab den späten vierziger Jahren als Hauptdarstellerin im holländischen Film und im Kabarett zu sehen. "Ich habe ja nicht nur Gesang, sondern auch Deklamation gelernt."

Als Chansonette und klassische Sängerin wurde sie in Wien und den Casinos der Mittelmeerländer, im Düsseldorfer "Palladium" und in München von Publikum und Presse gleichermaßen gefeiert. In Radio- und Fernsehstudios und bei Plattenfirmen war sie ständiger Gast.

1952 waren dann jedoch wirklich die Stimmbänder kaputt. Und wieder hatte sie Glück, wie sie sagt: Sie gründete eine Familie, zog zwei Töchter auf, von der eine, die in den Niederlanden sehr bekannte Chansonsängerin Marjol Floré, in ihre Fußstapfen treten sollte. Sie habe als junge Mutter in Aachen dann auch wirklich noch Gesang studiert, erzählt Francoise Decker.

"Mon dieu", stöhnt Miss Floré

Und noch einige Engagements angenommen: im Stuttgarter "Kleinkunsthaus" und im Amsterdamer "Shaffi-Theater" etwa. "Aber meine Zeit war vorbei. Das muss man einsehen, wenn das Publikum keine Chansonsängerin mit Boa mehr sehen will." Noch zu Hauptstadtzeiten zog die dann ihrer jüngsten Tochter wegen nach Bonn. Didi Kern betreibt in Kessenich das Restaurant Lindenhof.

Und dann erzählt sie doch noch einmal von der gefährlichen, tiefen Treppe im Londoner "Hippodrome". "Nicht runterschauen, aber auf 13-Zentimeter-Absätzen mit schwerem Kopfschmuck an den nackten Mädchen vorbei 18 Stufen abwärts schreiten und dabei auch noch singen, mon Dieu", stöhnt Miss Floré noch heute.

Wie gut, dass ihr der Solo-Nackttänzer der "Folies Bergères" damals aus der Patsche half. "Der trat selbst nur mit einem kleinen Stern vor dem Körper auf, war aber entzückend und hilfsbereit", lächelt Decker. Stundenlang übte sie also mit dem braun gebrannten Adonis im Hotel Treppenschreiten, überhaupt professionelle Körperhaltung.

Davon profitiere sie letztlich noch heute im Alter, meint die Lady. "Der Trick ist, den Fuß auf der Stufe immer ein wenig quer zu stellen. Dann fallen Sie nie."

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