Prozess im Fall Regine P. Gutachterin schließt verminderte Schuldfähigkeit des Täters nicht aus

BONN · Im Prozess um die Tötung der Journalistin Regine P. im Jahr 1992 scheint eine Verurteilung des heute 37 Jahre Angeklagten wegen Mordes vom Tisch zu sein: Am Dienstag gaben die Richter der Jugendschwurgerichtskammer den rechtlichen Hinweis, dass auch eine Verurteilung wegen Totschlags oder Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht kommt - neben einer versuchten oder vollendeten Vergewaltigung.

Der zur Tat 18 Jahre alte Angeklagte hatte in dem Verfahren vor der Jugendschwurgerichtskammer gestanden, dass er die Mutter seines besten Freundes im Drogenrausch vergewaltigen wollte. Er hatte die 46-Jährige in der Nacht auf den 12. Juli 1992 in deren Wohnung im Schlaf überrascht.

Den Angaben des gelernten Kochs zufolge war es zu einem Kampf mit dem Opfer gekommen. In dessen Verlauf hatte er Regine P. unter anderem mit einem Blumentopf geschlagen und ihren Kopf mit einem Bettlaken umwickelt. Die Staatsanwaltschaft hatte den 37-Jährigen wegen Mordes aus Verdeckungsabsicht angeklagt. Vor Gericht hat der Diplomatensohn beteuert, dass er die 46-Jährige nicht habe töten wollen. Er sei damals davon ausgegangen, dass die Frau nur bewusstlos sei und wieder zu sich kommen werde.

In den Augen der Jugendgerichtshilfe sollte bei dem Angeklagten das Jugendstrafrecht angewendet werden. Zur Tatzeit hätte offenbar Reifeverzögerungen bestanden. Zudem habe bei dem damaligen Schüler eine schwierige Identitätsbildung stattgefunden. Geboren in Palma de Mallorca und aufgewachsen in Südamerika, war er erst 1985 nach Deutschland gekommen. Vor der Tat sei für ihn eine "Welt zusammen gebrochen", weil er mit den Eltern erneut nach Spanien habe umziehen sollen. In dieser Zeit sei es zu einem gesteigerten Drogenkonsum gekommen. "Er hat sich gehen lassen, ihm war alles egal", so die Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe.

Dieser Ansicht stimmte die psychiatrische Sachverständige zu. Die Gutachterin sprach von einer "psychischen Ausnahmesituation", in der sich der 18-Jährige, der zuvor noch keine sexuellen Erfahrungen gemacht hätte, befunden habe. Vor allem durch die eingenommenen Amphetamine sei er sexuell enthemmt gewesen und es habe ein erhöhtes Aggressionspotenzial bestanden.

Für die Expertin ist eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit zwar nicht sicher festzustellen, aber eben auch nicht auszuschließen. Das heutige Aggressionspotenzial des Angeklagten beschrieb die Sachverständige als "auffällig unauffällig".

Eine mögliche Erklärung für die Erinnerungslücken bei dem Angeklagten könnte laut der Gutachterin der "jahrzehntelange Versuch sein, das Geschehen aus seinem Gedächtnis wegzuschieben". Erst im vergangenen Jahr waren die Ermittler dem 37-Jährigen aufgrund der Auswertung alter DNA-Spuren auf die Spur gekommen. Der Prozess wird in der kommenden Woche mit den Plädoyers des Staatsanwalts und des Verteidigers fortgesetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort