Erinnerungen an den Jahrhundertsommer 1947 in Bonn Ackern auf dem Feld statt baden im Römerbad

Dransdorf · Josef Lubig erinnert sich an den Jahrhundertsommer 1947: Sein Vater machte ihn unerträglich. Die Besuche der anderen Kinder im Römerbad kennt er nur aus Erzählungen.

Erinnerungen an den Jahrhundertsommer 1947 in Bonn: Ackern auf dem Feld statt baden im Römerbad
Foto: Stefan Hermes

Wie eine Aufforderung dürfte Josef Lubig (82) die Annahme von Bonns früherem Chefstatistiker Klaus Kosack verstanden haben, dass sich nur noch wenige Bonner an den Jahrhundertsommer 1947 erinnern könnten. Es war der heißeste Sommer, der in Bonn seit 1895 je beobachtet wurde (der GA berichtete).

Sehr genau erinnert sich der heute 82-Jährige Lubig an diesen und die darauffolgenden Sommer seiner Kindheit. Anders als der größte Teil seiner Schulkameraden konnte der Dransdorfer diesen Sommer jedoch nicht durch einen erfrischenden Sprung ins Wasser erträglich machen, sondern musste seinem Vater helfen, das Land unterhalb der Alfterer Straße urbar zu machen.

Dort, wo einst der Feurige Elias über sein Schotterbett fuhr, entstand nach den ehrgeizigen Plänen seines Vaters fruchtbares Ackerland. „Die Kinder kamen in diesem Sommer kaum aus dem Römerbad hinaus“, so Lubig. Andere fuhren mit dem Fahrrad zum Herseler Werth am Rhein und gingen dort baden. Immer so lange, bis man bei dem Ruf, „Obacht Würstchen!“, das Wasser fluchtartig verließ, da die Fäkalien zu dieser Zeit wohl noch direkt in den Rhein eingeleitet wurden.

Heißer Sommer ohne Badevergnügen

Lubig erinnert sich gut daran, obwohl er nur einmal dabei sein konnte. Sein Vater schikanierte den damals Siebenjährigen auf eine Weise, die ihm bei der Erinnerung noch heute Tränen in die Augen treibt. So musste Josef Lubig auch im heißen Sommer von 1947 bis zur Erschöpfung arbeiten und wurde bei der leisesten Verfehlung „grün und blau“ geschlagen, getreten, eingesperrt oder mit Essensentzug bestraft. Erst als Lubig 14-jährig seine Lehre antrat, konnte er wochentags ein wenig Freiheit genießen. Samstags und sonntags stand er jedoch wieder unter dem Einfluss des Vaters, der ihn bis zu dessen Tod im Jahr 1995 nicht verließ.

Dass man in diesem Sommer vor 75 Jahren bereits von einem Jahrhundertsommer sprach, hatte keinen Einfluss auf den Alltag des damals kleinen Josef. Ein Sommer, den Lubig in seiner Biografie, „Keine 50 Pfennig wert …“ festgehalten hat. Acht Jahre seiner Kindheit, in der er bereits wie ein Erwachsener arbeiten musste. Schon vor der Schule ging es für ihn um fünf Uhr morgens zum Frühmarkt in Bonn, wo der Vater die Erträge aus seinen rund 7000 Quadratmetern Pachtland verdiente. Zehn Pfennig Standgebühr mussten damals pro angebotenem Erdbeerkörbchen entrichtet werden. Der Vater gab nur fünf Einheiten an und Josef lieferte ständig nach.

Mit dem Rad zur Obstversteigerung

Mit seiner älteren Schwester hatte er die Obstkisten auf einem Fahrradanhänger dorthin gebracht. Wenn er aus der Schule kam, und seine Schulkameraden sich im Schwimmbad trafen, ging es für ihn entweder zur Mittagsversteigerung in den Markthallen am Bonner Hochstadenring oder er musste die väterlichen Obstbäume bewässern.

Ein 200 Liter Wasser fassendes Jauchefass zog das Kind dann etliche Male über das holprige Land und musste mit ansehen, wie schnell das Wasser in dem schottrigen Untergrund verschwand. Später wurde ihm von Bekannten, die regelmäßig mit der Vorgebirgsbahn an dem Grundstück vorbeifuhren gesagt, dass man immer wieder fassungslos aus dem Fenster geguckt habe, um den „Verrückten mit seinem Kind“ arbeiten zu sehen.

Josef Lubig, „Keine 50 Pfennig wert… - Jugend in Dransdorf“, Rhein-Mosel-Verlag, 225 Seiten, 12 Euro

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