Bernd Müller: Ehemaliger Soldat und ehrenamtlicher Streetworker „Alles picobello“ in Medinghoven

Medinghoven · Seit 23 Jahren engagiert sich Bernd Müller für Sauberkeit, Sicherheit und Integration in Medinghoven. Vieles hat der einstige Bundeswehrsoldat erreicht. Und ist dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden.

 „Alles picobello“, sagte Bernd Müller beim Rundgang durch Medinghoven häufiger.

„Alles picobello“, sagte Bernd Müller beim Rundgang durch Medinghoven häufiger.

Foto: Stefan Hermes

Von seiner Stärke dürften die umstehenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Medinghoven nachhaltig beeindruckt worden sein, als Bernd Müller (73) einen umgeworfenen Kleidercontainer mit Leichtigkeit in die Höhe stemmte, um ihn wieder aufzurichten. „Oft möchten die Jungs an meine Oberarme fassen und sagen dann, Herr Müller, mit ihnen nicht“, gibt Müller lachend den respektablen Ruf wieder, den sich der pensionierte Oberstleutnant der Bundeswehr nicht nur durch sein Krafttraining in mehr als zwei Jahrzehnten engagierter Stadtteilarbeit verschafft hat.

Schon beim Besuch im Bungalow von Bernd und Margrit Müller an der Briandstraße fällt auf, wie „picobello“ dort alles ist. Ein Wort, das von Müller bei einer kurzen Begehung seines Stadtteils mehrfach zu hören ist. Die von ihm gezeigten Straßen, Grünflächen, Fassaden und Plätze sind „picobello“, frei von jeglichem Müll und Graffiti. „Sauberkeit, Sicherheit und Integration hängen untrennbar zusammen“, sagt Müller. Soziale Brennpunkte zeichneten sich durch Verwahrlosung, Gewalt, Vandalismus, verdreckte Häuser und Grundstücke aus. Zustände, die in Medinghoven laut Müller heute nicht mehr zu finden sind. Er ist stolz, seinen Beitrag dafür geleistet zu haben.

1990 zieht Müller nach Medinghoven

Seit er Medinghoven 1990 als Offizier im Verteidigungsministerium für sich und seine Familie als Wohnort entdeckt hat, engagiert er sich für den Stadtteil. 2019 bekam er für sein ehrenamtlichen Einsatz das Bundesverdienstkreuz.

Als Müller 1999 mit rund 50 Anwohnerinnen und Anwohnern die Bürgerinitiative mit dem vielsagenden Akronym BISS gründete, was für „Bürgerinitiative Schöne Stadt“ steht, habe es in einem der jüngsten Stadtteile Bonns noch anders als heute ausgesehen, erzählt er.

„Wohnungsleerstand, untätige Hausmeister, verwahrloste Häuser, Kriminalität“

Um die Jahrtausendwende hatte mit der Hauptstadtwerdung Berlins eine stetig zunehmende Verwahrlosung von Medinghoven begonnen. Bundesbedienstete verließen den Stadtteil, der für sie Anfang der 1970er Jahre gebaut wurde. „Wohnungsleerstand, miserables Mietmanagement, untätige Hausmeister, verwahrloste Häuser, Kriminalität, ekelerregende Eingangsbereiche, Hausflure und Fahrstühle, defekte Briefkästen und Klingelanlagen, Graffiti, ungepflegte Grundstücke, Keller, in denen auch übernachtet wurde, verschmutzte Straßen und Fußwege“, beschreibt Müller den Zustand, der 1999 geherrscht habe.

In Zusammenarbeit mit dem Hardtberger Rathaus, dem Ordnungsamt, den Schulen, der Diakonie, den Parteien sowie den Wohnungsbaugesellschaften und deren Hausmeistern verfolgt Müller seitdem das Ziel, die Wohn- und Lebensqualität des Stadtteils sukzessive zu verbessern.

Mit mehr als 3400 digital gespeicherten oder in zahllosen Ordnern abgelegten Dokumenten archiviert Müller bis heute seinen Schriftverkehr mit amtlichen und privaten Stellen. Das Ziel ist immer das gleiche: Medinghoven sauberer, sicherer und integrativer zu gestalten. In der Folge wurden dunkle Aufenthalts- oder Durchgangsorte beleuchtet, Fassaden gestrichen und Spielplätze gereinigt. Nur noch selten gibt es Anrufe von Müller bei Bonnorange, falls außerplanmäßig Müll zu beseitigen ist. „Die Zusammenarbeit klappt bestens“, sagt er.

„Er hat uns viel Liebe gegeben, der Herr Müller.“

Müllers auf lange Sicht geplante Maßnahmen zeigen heute Erfolge. „Medinghoven gehört heute zu den saubersten und sichersten Stadtteilen Bonns“, sagt er nicht ohne Stolz. Er verweist darauf, dass die Anzahl der Straftaten in Medinghoven seit Jahren rückläufig ist. Straßengewalt komme schon seit Jahren nicht mehr vor. „Medinghoven gehört in die Spitzengruppe der sichersten Stadtteile Bonns.“ Strategien zu entwickeln und zu vermitteln, gehörte immer zu seinem Beruf – als Ausbilder, Kommandeur oder Stabsoffizier.

Noch heute geht Müller in der Regel dreimal in der Woche durch das nächtliche Medinghoven und freut sich, wenn er dabei auf Jugendliche trifft, die in früheren Zeiten einmal als Problem für Medinghoven angesehen wurden. Müller hat über die Jahre ihr Vertrauen gewonnen. „Er hat uns viel Liebe gegeben, der Herr Müller“, sagt Hassan (21) dem GA. Mit einem kongolesischen Freund steht der Tschetschene in der Ladenzeile am Europaring. Auch der Freund bestätigt, dass Müller „ein guter Mann“ ist. „Das sind meine Verbündeten gegen Gewalt und Vandalismus“, wird Müller später über die beiden sagen. Er spricht von rund 50 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die er immer wieder trifft und einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Essen einlädt und dabei verfolgen kann, was aus ihnen geworden ist.

„Hier lungert keiner mehr herum“, sagt er. „Ich habe den Jungs immer wieder klargemacht, dass sie für die Mädchen nur interessant sind, wenn sie arbeiten“, sagt er. Die meisten jungen Männer hätten inzwischen Arbeit und verdienten Geld. „Und wer Geld verdient“, folgert Müller, hat auch bald ein Auto. „Und wer hier ein Auto hat“, sagt er, habe bald auch eine Freundin und sei damit weg von der Straße.

Die positive Wandlung seines Stadtteils ist auch das Ergebnis einer ausdauernd langen Überzeugungsarbeit von „Streetworker“ Müller. Er weiß, dass die meisten jungen Männer mit ausländischen Wurzeln, die vor Jahren noch Kleinkriminelle oder auch Intensivtäter waren, bereits in Medinghoven geboren sind. Es scheint ihm gelungen zu sein, dass sie heute stolz auf ihren Stadtteil sind und sich für ihn verantwortlich fühlen. Das Wichtigste sei, so Müller, den Jugendlichen und jungen Männern durch Haltung und vorbildliches Verhalten Respekt sowie schulische und berufliche Perspektiven aufzuzeigen. Müller erfährt durch die Ergebnisse seines Handelns Motivation genug, sich weiterhin für Medinghoven, „den schönsten Stadtteil Bonns“, wie er sagt, einzusetzen.

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