Wald und Natur in Bonn Als die Rotbuche noch Zitrusbäume und Schweine nährte

Bonn · Bizarrer Wuchs und besondere Überlebensstrategie: Die Rotbuche hat früher Mensch und Tier gedient. Holger Fechner kennt sich als Fan dieser faszinierenden Bäume bestens aus.

Macht's sich auf der faszinierend gewachsenen Buche bequem: Holger Fechner (42).

Macht's sich auf der faszinierend gewachsenen Buche bequem: Holger Fechner (42).

Foto: Niklas Schröder

Beinahe gespenstisch ragen die kahlen Äste der Rotbuche in die Höhe. Der Baum, der auf der Waldau im Kottenforst steht, ist seit ein paar Jahren abgestorben. Mittlerweile bietet der gestutzte Riese Nährboden und Unterschlupf für Pilz- und Tierarten, erklärt Holger Fechner. Der 42-jährige Gärtner setzt sich regelmäßig mit den heimischen Baumarten auseinander – die Rotbuche hat es ihm besonders angetan.

„Die Rotbuche dominiert mit circa 15 Prozent Baum-Anteil wie keine andere Baumart die heimischen Wälder und gilt als ‚Mutter des Waldes’“, berichtet der Agraringenieur. Bis zu 50 Meter kann sie in die Höhe wachsen und 300 Jahre alt werden. Hätte der Mensch nicht in den Lauf der Natur eingegriffen, würden Rotbuchen heute zweidrittel der Fläche Deutschlands dominieren.

„Die Rotbuche ist ein sommergrüner Laubbaum und Zeigerpflanze des atlantischen, gemäßigt-feuchten Klimas, weshalb ihr Hauptverbreitungsgebiet in Mittel- und Osteuropa ist“, führt Fechner aus.

Blätter lassen kaum Licht durch

Ab einem Alter von 20 Jahren bildet sie mit den sogenannten Bucheckern ihre Nussfrüchte, die ähnlich wie Eicheln eine wertvolle Futterquelle für viele Tierarten sind. „Die große botanische Besonderheit ist, dass diese Baumart durch ihre Blattstellung und Anzahl der Blätter bedingt nur sehr wenig Licht bis zum Waldboden durchlässt. Damit sorgt sie für sehr schattige Verhältnisse, bei der kaum eine andere Baum- oder Strauchart überleben kann.“

Und gerade diese Eigenschaft sollte dafür sorgen, dass sich die Rotbuche nach der jüngsten Eiszeit das Gebiet nach und nach erfolgreich bis hin zur Alleinherrschaft erobert hat. Während der Römerzeit bildete sie in Germanien fast flächendeckende Reinbestände in Mitteleuropa. Der römische Geschichtsschreiber Plinius schrieb dazu: „Wälder bedecken das ganze Germanien und verbreiten die Kälte mit dem Dunkel.“

Alte und naturnahe Rotbuchenwälder gehören zum Unesco-Weltnaturerbe. Sie liefern wertvollen Humus, der Nährbett vieler anderen Baumartensamen sowie für die eigene Art ist. Früher wurde dieser auch mit Kuhdung gemischt und diente als Substrat für die Zitrusbäume in den Orangerien des Adels oder der botanischen Gärten.

Speise- und Lampenöl

Das Öl aus den Bucheckern war während der 1920er- und 1930er-Jahren begehrtes Speise- und Lampenöl, weshalb viele Menschen in den Wald geschickt wurden, um diese im Herbst zu sammeln. Die Bucheckern waren neben den Eicheln wertvolles Viehfutter für Schweine, Ziegen und Rinder. Diese wurden zur Mastzeit in den Wald getrieben und dort gehütet.

„Für den Kottenforst ist für Mitte des 15. Jahrhunderts der Eintrieb von 4000 Schweinen schriftlich belegt. Das Laub der Rotbuche diente als Viehfutter oder im Herbst als Vieheinstreu.“ Um die Bäume gleichermaßen zur Laubgewinnung und als Viehweide nutzen zu können, wurden diese in zwei Metern Höhe geschnitten: Oben wurde alle paar Jahre Laub und Holz geerntet, und unten weideten die Tiere, erklärt Fechner.

Noch heute lassen sich die Eingriffe an vielen Rotbuchen erkennen. Unnatürlich haben sich bei einigen Rotbuchen die Kronen auf niedriger Höhe gebildet. Im Zentrum ist der Stamm wohl abgetrennt worden. „Diese Nutzungsform nannte man Hute- oder Hudewälder, wovon der Kottenforst noch einige imposante Relikte aus vergangenen Zeiten aufweist. Mitteldicke, geschnittene Äste dienten im Rheinland früher als Rähmholz für die Weinspaliere, woraus sich der Ortsname Ramersdorf bei Beuel ableiten lässt“, berichtet Fechner.

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