Bundesministerium der Verteidigung Areal in Duisdorf war früher ein Kriegsgefangenenlager

Duisdorf · Es ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte Duisdorfs: Auf dem heutigen Gelände des 1955 gegründeten Bundesministeriums der Verteidigung befand sich während des Zweiten Weltkriegs ein großes Kriegsgefangenenlager.

 Diese Gedenkstätte erinnert an Stalag VI G und die Kriegsgefangenen, die hier unter schlimmen Bedingungen lebten.

Diese Gedenkstätte erinnert an Stalag VI G und die Kriegsgefangenen, die hier unter schlimmen Bedingungen lebten.

Foto: Horst Müller

Es hieß Stalag VI G. Zwischen 1940 und 1945 waren in den 1937/38 hier errichteten Wehrmachtsbaracken mehrere 10 000 Kriegsgefangene aus Polen, Frankreich, Belgien, der Sowjetunion, Italien und den USA untergebracht oder wurden von hier aus in eines der zahlreichen Außenkommandos verlegt. „Der Alltag der Gefangenen war geprägt durch Hunger, schwere Arbeit, Krankheit und stundenlange Märsche zu den jeweiligen Arbeitseinsätzen“, heißt es auf einer Gedenktafel, die im BMVg liegt und an diese Menschen erinnert.

Was aber ist mit ihnen passiert? Haben sie keine Spuren hinterlassen? Sind einige von ihnen sogar in Bonn und im Umland geblieben, nachdem der Krieg beendet war? Darüber gibt es kaum Aufzeichnungen.

Stammlager (im militärischen Sprachgebrauch Stalag) war in den Weltkriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Bezeichnung für größere Kriegsgefangenenlager, in denen die Gefangenen registriert und von wo aus sie auf Arbeitskommandos verteilt wurden. Insgesamt waren im Deutschen Reich und in den von Deutschland besetzten Gebieten 222 Stalags eingerichtet worden. Ihre Belegungsstärke konnte zwischen 7000 und über 70 000 Kriegsgefangenen variieren.

Am 1. Januar 1944 wurden über 2,2 Millionen Kriegsgefangene in den Stammlagern festgehalten, so ist es in Quellen verzeichnet.

Die Stammlager dienten als Durchgangsstationen für Kriegsgefangene in den Arbeitseinsatz in der Kriegswirtschaft, in Außenkommandos, Zechen und industriellen Betrieben aller Art. Sowjetische Gefangene und ebenso Kriegsgefangene der westlichen Alliierten wurden von hier aus weiter verteilt. Waren diese Kriegsgefangenen in den Betrieben infolge schlechter Behandlung, Überarbeitung und Hunger arbeitsunfähig geworden, wurden sie wieder in das Stammlager, meist in den dortigen Sanitätsbereich, zurückgeschickt.

Viele von ihnen, besonders die sowjetischen Kriegsgefangenen, starben daraufhin. Diejenigen, die zur Arbeit zurückkehrten, waren oft sehr geschwächt. Da ein erheblicher Arbeitskräftemangel bestand, gingen einige Betriebe dazu über, die Kriegsgefangenen ausreichend zu ernähren und so zu behandeln, dass ihre Arbeitskraft erhalten blieb und weiter ausgebeutet werden konnte, andere taten dies auch von Beginn an.

Haben diese Menschen auch in Bonn gearbeitet? Womöglich auf Feldern der in Duisdorf und im Umland ansässigen Bauern? Man weiß es nicht, wiewohl überhaupt das Schicksal der Gefangenen im Dunkeln liegt. Im Jahr 2005 beschäftigte sich eine Gruppe von acht Schülern der Gesamtschule Beuel mit dem Thema und verschaffte sich im Stadtarchiv ein Bild von den Bedingungen, unter denen die Kriegsgefangenen litten.

Auf Initiative der Schüler hat das Ministerium, damals unter Minister Peter Struck, besagte Gedenktafel gesetzt. Struck lobte damals dieses Engagement, denn: „Die Schrecken der Nazis dürfen nicht vergessen werden“, sagte er. Zwei Zeitzeugen berichteten bei der Einweihung von den russischen Gefangenen, die am meisten erdulden mussten. „Sie waren eingepfercht wie Vieh und litten Hunger, andere Gefangene gaben ihnen Essen, wenn keiner hinsah“, berichtete der damals 74-jährige Hubert Wesseling.

Bekannt wurde der Fall des polnischen Bürgers Jan Nowacki, der im September 1943 auf Befehl der Gestapo an einem unbekannten Ort im Kottenforst erhängt wurde. So geht es aus einer alten Polizeiakte hervor. Auch sechs weitere Fremdarbeiter aus Polen und der Sowjetunion wurden demnach exekutiert. Nowacki musste vermutlich sterben, weil er einen Deutschen angegriffen haben soll. Wie der damalige Duisdorfer Nazi-Bürgermeister der Gestapo-Stelle in Bad Godesberg schrieb, begrüßte die Bonner Bevölkerung den Tod des Arbeiters.

Auf dem neuen Duisdorfer Friedhof gibt es ein russisches Ehrenmal für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Bürger der damaligen Sowjetunion. Jedes Jahr am 23. Februar, dem dortigen „Tag der Verteidigers des Vaterlandes“, werden dort Kränze niedergelegt. Begraben sind laut Generalkonsulat dort keine Soldaten, sondern kriegsgefangene Bürger. Insgesamt 102 Menschen wurden dort beigesetzt.

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