Trainig gegen Aggressionen Argumente statt Fäuste

Brüser Berg. · An der August-Macke-Schule erhält eine Klasse ein „Coolnesstraining“ für den Umgang mit Konflikten. Die Trainer haben sich auf das Thema spazialisiert und bieten ihre Hilfe in ganz Deutschland an.

 Mit Rollenspielen und Selbstreflexion lernen die Jugendlichen, Konflikte zu vermeiden und – wo nötig – zu lösen.

Mit Rollenspielen und Selbstreflexion lernen die Jugendlichen, Konflikte zu vermeiden und – wo nötig – zu lösen.

Foto: Stefan Knopp

Was bedeutet denn „cool sein“ für die Neuntklässler? Die Antworten kommen zögernd. „Dass man sich mit allen versteht“, sagt Melanie (15), zierlich und eher schüchtern, keine, die Streit sucht. „Korrekt sein“, meint Abdalla, der immer über alles lachen kann und sich mit allen gut versteht, nach Melanies Definition also ziemlich cool ist. Wie das geht, korrekt sein, das lässt er offen.

Es sind aber auch Antworten, aus denen die ersten Sitzungen des Coolnesstrainings herausklingen. An insgesamt sechs Montagen kommen Pädagogen von Krämer Trainings aus Erftstadt an die Hauptschule in der Gaußstraße, um die Jugendlichen im „konfrontativen Stil“ im Umgang mit schwierigen Situationen zu schulen. Die erleben die Schüler fast jeden Tag in den Pausen. Gut gemeinte Ratschläge von Lehrern wie „geh doch weg“ und „lass dich nicht provozieren“ würden im Alltag nicht funktionieren, sagt Unternehmenschef Ulrich Krämer. „Mit uns können die Jugendlichen taugliche Varianten ausprobieren.“

Dazu wird immer wieder das bewährte Mittel des Rollenspiels herangezogen. Mal spielen sie die Täter, mal Opfer oder Gaffer. Dann wird beleidigt, geschubst, angeschrien, ausgelacht. „Oft stellen die Jugendlichen erst bei der Auswertung fest, was sie gerade getan haben“, so Krämer. „Sie erfahren, wie sich das anfühlt, was man macht.“ Auch direktes Kämpfen gehört zum Training, außerdem immer wieder Teamwork. Zum Beispiel sollen Schüler, in zwei Teams aufgeteilt, eine Holzmurmel zu einem Ziel bringen. Der darf nur in Plastikrinnen transportiert werden, an die jedes Teammitglied eine Hand halten muss. Dabei darf man sich nur dann vom Fleck bewegen, wenn man den Ball gerade nicht hat.

In einer der beiden Gruppen setzen sich die durch, die einfach gewinnen wollen und deshalb schnell und hektisch machen und gute taktische Ratschläge ignorieren. Einige bleiben plötzlich außen vor, weil andere ihr eigenes Ding durchziehen. Es ist das Team, das das Wettrennen verliert. Da zeigt sich für die Trainer Jan Haubrich und Lara Mendritzki, dass der Klassenverband nicht funktioniert. Es gibt Grüppchen, Hierarchien, Vorurteile, „ihr wisst gar nichts voneinander“, stellt Haubrich fest.

„Das Training kann helfen, die Gemeinschaft zu verbessern“, glaubt Oliver (14), besonnen, kein „Super-Alfa-Kevin“. So nennt Krämer die, die sich mit Mobbing, körperlicher und verbaler Gewalt an der Schule behaupten. Aber um an der Schule wirklich etwas zu verändern, müssten alle Schüler ein solches Training absolvieren, meint Oliver. „Uns hilft das als Klassengemeinschaft, aber gegenüber anderen Klassen nicht.“

Wenn man dafür nur das Geld hätte. Das Training für diese Klasse wurde gesponsert, dafür gaben die Stiftung Kompetenz im Konflikt und die Stiftung Jugendhilfe der Sparkasse KölnBonn Gelder. Aber die Lehrer bräuchten auch das Handwerkszeug, um adäquat reagieren zu können, meint Schulsozialpädagogin Susanne Kranen. Deshalb führte Krämer auch ein Coaching mit dem gesamten Lehrerkollegium durch. „Das ist eine gute Basis, um die Nachhaltigkeit zu erhöhen.“

Die Lehrer könnten dadurch besser auf Konflikte zwischen Schülern reagieren. Aber um den Jugendlichen etwas zum Thema Streitvermeidung zu vermitteln, seien externe Trainer besser geeignet, so Krämer. „Wir haben eine Jokerfunktion. Die Schüler werden nicht bewertet und können nicht durchfallen.“ Auf diese Weise könne man besser Beziehungen aufbauen.

Man wolle die Perspektive ändern, erreichen, dass das Gegenüber nicht als Objekt, sondern als Mensch mit Gefühlen wahrgenommen wird. Es gehe auch um Wertschätzung, Grenzen, Vertrauen und Empathie. Letztere sei bei den Jugendlichen oft nicht ausgeprägt, weiß Krämer. „Unser Job ist es, bei jedem etwas Liebenswertes zu finden. Auch bei Super-Alfa-Kevin“, sagt er. „Negatives Verhalten wurde erlernt, es kann auch wieder verlernt werden.“

Ob das Training bei all dem hilft, wird sich zeigen „Wir hatten schon mal ein ähnliches Training“, erinnert sich Melanie. Eine Weile sei es besser in der Klasse gewesen, aber nicht auf Dauer. Es müssten halt auch alle bereit sein mitzumachen.

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