Flüchtlingshilfe auf dem Venusberg Arzt erteilt jetzt Deutschunterricht

Venusberg · Hossein Pur Khassalian hat auf dem Venusberg eine Flüchtlingshilfe gegründet und freut sich über die Zusammenarbeit mit Auferstehungsgemeinde.

 Hossein Pur Khassalian steht vor dem Hauptportal der evangelischen Auferstehungskirche auf dem Venusberg.

Hossein Pur Khassalian steht vor dem Hauptportal der evangelischen Auferstehungskirche auf dem Venusberg.

Foto: Benjamin Westhoff

Mit 82 Jahren hat sich Hossein Pur Khassalian noch einmal einer neuen sozialen Aufgabe gestellt. Der ehemalige Arzt hat spontan eine Flüchtlingshilfe gegründet, um den Bewohnern der Jugendherberge Venusberg im ungewohnten deutschen Alltag zu helfen. Unterstützt wird der Muslim dabei von der evangelischen Auferstehungsgemeinde.

Ein konstruktives Miteinander der Religionen bedeutet dem gebürtigen Iraner sehr viel. Für ihn ist das selbstverständlich in einer freiheitlich geprägten Gesellschaft. Daher hat ihn die Ermordung eines französischen Lehrers durch einen jungen, mutmaßlichen  Muslim sehr erschüttert. Khassalian wünscht sich, dass der Fall differenzierter diskutiert wird. „Ja, es ist eine barbarische Tat. Vorbeugende Maßnahmen sind aber nicht nur stärkere polizeiliche Überwachung, sondern auch bessere Bildung und Beschäftigung für Asylanten.“

Die Gründe der Radikalisierung junger Muslime lägen nicht in der Religion des Islam. „Wer das behauptet, verärgert gläubige Muslime. Der Islam soll von anderen nicht schlecht geredet werden.“ Ein polarisierender Einfluss gehe vielmehr von Radikalfundamentalisten aus. Khassalian gibt ein kleines Beispiel aus dem Alltag: Ein muslimischer Bekannter lehnt es strikt ab, sich in einer Gaststätte zu verabreden. „Weil dort Alkohol getrunken wird. Ich sage zu ihm: Du musst ja keinen trinken, aber lass die anderen doch.“

Der 82-Jährige schüttelt bekümmert den Kopf. In seiner Weltanschauung liegt der Schwerpunkt auf dem  Verbindenden, nicht auf dem Trennenden. Er will Vermittler sein, Neuankömmlingen mit „Nächstenliebe begegnen und sie warmherzig empfangen“. Das sei ein guter Anfang für die Integration und Prävention gegen die Gefahr einer Radikalisierung.

„Vermittlung der anderen Kultur beginnt bei der Sprache“, sagt er. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie man leidet, wenn man die Sprache und auch die Sitten nicht kennt.“ Seit einigen Jahren ist Khassalian als „Formularhelfer“ in der Flüchtlingshilfe der Caritas engagiert. Er hilft, wenn es etwa darum geht, einen Mietvertrag abzuschließen. Allerdings lässt ihm sein neues Engagement dazu keine Zeit mehr. Rund 20 Flüchtlingen erteilen er und fünf Mitglieder aus der Gemeinde der Auferstehungskirche am Haager Weg Deutschunterricht.

Überhaupt auf die Idee gekommen war der 82-Jährige, als er im Mai zufällig mit einer Bewohnerin der Jugendherberge ins Gespräch kam. Eine Iranerin, die sich freute, einen Landsmann zu treffen, weil sie ihn so viele Dinge fragen konnte, die sie nicht verstand. „Da kann ich wirklich helfen und Menschen freundlich entgegenkommen.“ Allerdings sind in der Jugendherberge viele Nationalitäten untergebracht; Verständigung funktioniert manchmal nur mit Händen und Füßen. „Das ist anstrengend, aber die Neuankömmlinge sind darauf angewiesen, zu verstehen. Sie müssen jedoch auch aufgeschlossen dafür sein.“

Deutsche Kultur vermittelt Khassalian den Flüchtlingen bei einer Stadtführung – etwa zum Kreuzberg oder zum Poppelsdorfer Friedhof. „Es ist doch wichtig, dass Muslime mehr über Ostern und Pfingsten der Christen wissen.“ Stereotype allerdings, wie etwa die Frohnatur der Rheinländer, die passen nicht in sein Denken. „Deutsch sind Kant oder Beethoven. Aber man darf nicht meinen, dass andere Länder nicht auch Großartiges vollbracht haben.“ Khassalians Überzeugung steckt in dem einen Satz: „Alle Menschen sind gleich.“

In der Diktatur aufgewachsen, hatte er als 15-Jähriger im politischen Umbruch des Iran „das erstmalige Erlebnis von Demokratie. Einen Austausch von Argumenten, das kannte ich bis dahin gar nicht.“ In den Kopf gesetzt hatte er sich ein Medizinstudium. Im Iran war das nicht möglich – und so gelangte er nach einer Bahnreise durch die halbe Welt 1957 nach Bonn. „In dem fremden Land haben mir viele geholfen.“ Khassalian erinnert sich gern zurück. Seine positive Integrationserfahrung habe in ihm „das verpflichtende Gefühl wachsen lassen, seinerseits anderen Menschen zu helfen“. Das Studium finanzierte er sich mit Fabrikjobs. 1958 lernte er seine Frau kennen – eine Bonnerin. Nachdem Khassalian seine Arztpraxis in Hagen aufgegeben und in den Ruhestand gegangen war, zog das Paar nach Bonn.

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