Erstmals übernimmt eine Frau das Amt Das hat Bonns neue Stadtförsterin Julia Johnson vor
Venusberg · Julia Johnson hat schon viele Wälder gesehen. Den Bonner Wald hält die neue Stadtförsterin für etwas Besonderes. Die 38-Jährige ist die erste Frau auf dem Posten und hat sich einiges vorgenommen.
An manchen Tagen ist Julia Johnson schon das erste Mal im Wald, bevor die Arbeit um 6.30 Uhr anfängt. Vor ein paar Wochen hat die neue Stadtförsterin ihre Stelle angetreten, als erste Frau überhaupt. Nun sitzt sie auf einer Holzbank vor der Stadtförsterei in der Waldau, um sich vorzustellen und über das Naturland-Zertifikat zu sprechen, das die Stadt wieder erhalten hat. Johnson ist gerne morgens im Wald. Um kurz vor 6 Uhr dreht sie mit ihrem Border-Collie „Kowi“ eine Runde – sein Name bedeutet „Waldbewohner“. „Es ist ein indianischer Name. Ich selbst bin ein Viertel Cherokee“, sagt die Tochter eines pensionierten US-Offiziers.
Wenn sie am frühen Morgen mit Kowi unterwegs ist, genießt sie die Ruhe, dann sei besonders viel zu hören und zu sehen. In den vergangenen Tagen hat sie schon Wildschweine beobachtet und Meisen, Spechte und Eulen gehört. Später am Tag sei das nicht so leicht möglich, wenn auf den angrenzenden Straßen Autos unterwegs sind.
Auf ihren Spaziergängen durch den Wald hat Johnson auch schon einen neuen Lieblingsplatz entdeckt. „Die Kopfbuchen im sogenannten Geisterwald verbreiten mit ihren knorrigen Ästen und Formen eine ganz besondere Atmosphäre“, sagt die 38-Jährige. Die Bäume stammen aus der Zeit der Industrialisierung, in der es einen Bedarf an Weidefläche und Brennholz gab. Das Vieh, das im Wald gehalten wurden, fraß an den Buchen die unteren kleinen Äste. Alle zehn bis 15 Jahre wurden die Bäume in etwa zwei Metern Höhe gekappt, um Holz zu haben. So erhielten sie ihr Aussehen.
Der Hund kommt mit ins Büro
Ihr Hund ist aber nicht nur morgens mit dabei, sondern begleitet Johnson auch ins Büro. Dort wartet derzeit viel Schreibtischarbeit auf sie. Nicht unbedingt ihre Sache. An ihrem Beruf mag sie eher anderes. „Die Nähe zur Natur, draußen zu sein“, sagt sie.
Den Bonner Wald hält sie für etwas Besonderes – und sie habe schon einige Wälder gesehen. Wenige hätten aber so eine große zusammenhängende Fläche und eine vergleichbare Artenvielfalt. „In anderen Wäldern kann man die Baumarten an einer Hand abzählen“, sagt Johnson, die während ihrer Ausbildung in verschiedenen Regionen Deutschlands gearbeitet hat.
An der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde hat sie Forstwirtschaft studiert, sowie Forstwissenschaften und Waldökologie mit dem Schwerpunkt Waldnaturschutz in Göttingen. Während ihres Referendariats für den höheren Forstdienst war sie beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Würzburg angestellt.
Für den forstbetrieblichen Teil ihrer Ausbildung ging es für Johnson in einen Forstbetrieb der Bayerischen Staatsforsten in Ebrach im Steigerwald. Eine prägende Zeit für Johnson, denn der ehemalige Betriebsleiter Ulrich Mergner entwickelte sogenannte Trittsteinkonzept, bei dem es darum geht, in bestimmten Arealen Forstwirtschaft und Artenschutz miteinander zu vereinen.
Stadt bekommt Zertifikat des Naturlandverbandes
Solche geschützten Bereiche finden sich auch im Bonner Stadtwald, in dem zehn Prozent der Fläche nicht bewirtschaftet und einer natürlichen Entwicklung überlassen werden. Das ist auch ein Kriterium für die Naturland-Zertifizierung, die die Stadt erneut erhalten hat. In den 1990ern entwickelte der Naturlandverband zusammen mit den Umweltverbänden BUND, Greenpeace und Robin Wood Richtlinien für eine ökologische und nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes.
Seit 1999 ist die Stadt zertifiziert und gehört damit laut Presseamt zu den 19 kommunalen und privaten Waldbetrieben, die nach den Richtlinien arbeiten. Die Stadtförsterei verzichtet zum Beispiel auf Kahlschläge. „Bei der Holzernte achten wir darauf, dass nie mehr Holz aus dem Wald entnommen wird, als auch wieder nachwachsen kann“, sagt Johnson.
Um eine natürliche Entwicklung des Waldes zu fördern, pflanzen Johnson und ihre Mitarbeiter nur heimische Bäume und Gehölze: Arten, die mit den veränderten klimatischen Bedingungen gut zurechtkommen, wie zum Beispiel Stiel- und Traubeneiche, Winterlinde und Hainbuche sowie Kirsche und Rot-Erle.
„Die Fichte sagt ade“, fasst es Johnson zusammen. „Das ist aber nicht schlimm. Der Wald wird nicht verschwinden.“ Fünf Prozent machte die Art an den Bäumen im Bonner Wald aus. Wegen der Trockenheit der letzten Jahre und des Borkenkäfers sind davon kaum noch welcher übrig. Sie werden nun durch andere Arten ersetzt. Den Wald auf diese Weise klimafit zu machen, wie Johnson sagt, betrachtet sie als eine ihrer Hauptaufgaben.
Waldpädagogik ist ein Anliegen der Försterin
Und dann ist da noch eine andere Sache, die ihr ein Anliegen ist: Waldpädagogik. Unweit der Stadtförsterei liegt das Haus der Natur. Johnson, die ein waldpädagogisches Zertifikat hat, möchte sobald wie möglich Führungen aus dem Programm der Einrichtung übernehmen und Kindern und Jugendlichen den Lebensraum Wald näherbringen.
Der Bedarf für Umweltbildung, nicht nur bei Jugendlichen, scheint groß. Immer wieder bekomme sie E-Mails und Anrufe mit Fragen, berichtet die Försterin. Zuletzt etwa machte sich jemand Sorgen um seine Kinder, weil immer wieder ein Fuchs in den Garten kam. Johnson sagt: „Da muss man eigentlich keine Angst um die Kinder haben, eher um den Fuchs.“