Vom Hahneköppen zum Martinszug Film soll Traditionen von Dransdorf zeigen

Dransdorf · Das Martinsfeuer wandert durch den Ort, vor Ostern fliegen die Glocken nach Rom. Yvonne Günther beschäftigt sich in einem Film mit den Bräuchen und Traditionen in Dransdorf.

Das Team für den Film: (v.l.) Ralf Schmitz, seine Schwester Christine Strunck-Heines und  Yvonne Günther.

Das Team für den Film: (v.l.) Ralf Schmitz, seine Schwester Christine Strunck-Heines und Yvonne Günther.

Foto: Sofia Grillo

Das Reizvollste am Martinsumzug war in der Kindheit von Ralf Schmitz und seiner Schwester Christine Strunck-Heines das sogenannte Schnörzen. Die Kinder gingen mit ihren Laternen von Haustür zu Haustür, sangen ein Martinslied und bekamen Süßigkeiten. Heute ist Schmitz 79 Jahre und seine Schwester 68 Jahre alt. Für einen Film, der sich Dransdorfs Festen und Bräuchen widmet, schwelgten sie noch einmal in Erinnerungen.

Der Film von Dransdorferin Yvonne Günther soll Ende dieses Jahres herauskommen. Neben den Traditionen um Sankt Martin beschäftigt er sich mit Osterbräuchen, dem Karneval oder der Kirmes, sowie mit hinzugekommenen Traditionen und Bräuchen wie dem Ramadan der Muslime oder dem Tag des Nachbarn.

Auch der Dransdorfer Diakon Ralf Knoblauch ruft sich im Film seine schönsten Erinnerungen an Sankt Martin noch einmal vor Augen. Die dunkle, nass-kalte Jahreszeit werde im November vom Lichtermeer der Laternen und der Begeisterung der Kinder durchbrochen. Der Dransdorfer Martinszug sei immer gut besucht gewesen und die Kinder nähmen damals wie heute gerne daran teil.

Feste und Traditionen im Film

In den vergangenen zwei Jahren ist der Martinszug in Dransdorf ausgefallen – doch in diesem Jahr soll er wieder stattfinden. „Über die Jahre hinweg hat das Martinsfeuer immer wieder seinen Standort gewechselt“, weiß Ralf Schmitz. Mal lodere es am Dransdorfer Bunker, mal auf dem Schulhof oder auf einem Feld an der Grotestraße. Dieses Jahr ist es wieder wie viele andere Jahre auch an der Dransdorfer Burg.

Die Sankt-Martins-Bräuche sind nur ein Bruchteil dessen, was Günther für ihren Film aus der Geschichte der Feste und Traditionen ausgegraben hat. Die Initialzündung für ihren Film bot ihr die Recherche ihres ersten lokalen Films über Dransdorf, der im Dezember 2021 erschienen ist: „Dransdorf früher und heute – ein Dorf im Wandel der Zeit“.

„Ich hatte so viel Material über teils absonderlich wirkende Bräuche, dass ich es schade gefunden hätte, wenn es nur in meinen Archiven geblieben wäre“, sagt sie. Absonderlich mutete Günther etwa der Brauch des Hahneköppens an: Bei der Dorfkirmes wurde ein toter Hahn in einen Korb gehängt, der Kopf baumelte unten heraus. Mit verbundenen Augen mussten die Wettberwerbsteilnehmer versuchen, den Hahn mit einem Schwert zu köpfen. Wem das gelang, der war Hahnekönig.

Dorffest statt Kirmes

Die Kirmes gibt es in Dransdorf nicht mehr, stattdessen ein Dorffest. „Mir ist es ein Bedürfnis, die Geschichten der Dransdorfer und in Vergessenheit geratene Themen herauszubringen, damit nicht nur ich sie bestaunen kann. Außerdem können die Geschichten die Identität Dransdorfs stärken und einen neuen Blick auf den Stadtteil hervorbringen“, erklärt Günther ihre Motivation.

Diesen besonderen Blick auf den Ort wirft sie gemeinsam mit Zeitzeugen, die im Film ihre persönlichen Erfahrungen teilen. So erinnert sich Christine Strunck-Heines, die an der Meßdorfer Straße aufgewachsen ist, an eine skurrile Geschichte, die die Erwachsenen den Kindern zu Ostern erzählten. An Gründonnerstag ertönten die Glocken am Abend zum letzten Mal, bevor sie bis zur Osternacht verstummten. „Uns wurde erzählt, die Glocken fliegen nach Rom zum Papst, um dort Reis zu essen. Mein Vater ging am Abend von Gründonnerstag mit mir nach draußen, blickte mit mir beim letzten Läuten der Glocken in den Himmel und fragte mich, ob ich die Glocken nicht auch wegfliegen sehe. Natürlich sah ich sie nicht – doch ich glaubte die Geschichte bedingungslos.“

Yvonne Günther hat den Stadtteil und seine Bewohner durch ihre Arbeit an dem Film selbst besser kennenlernen dürfen. Sie stammt aus Süddeutschland, ist 2009 an die Meßdorfer Straße in Dransdorf gezogen und kannte viele Bräuche ihrer neuen Heimat nicht. Durch ihr Projekt ist sie mit vielen Dransdorfern in Kontakt gekommen.

So auch mit dem in Dransdorf aktiven Kick-Box-Lehrer Samir Omar, der im Film den Ramadan erklärt. Durch den Bau der Sozialbausiedlungen an der Lenau-, Hölderlin- und Mörikestraße und auch durch Flüchtlingsunterkünfte gibt es in Dransdorf einen hohen Anteil an muslimischen Bürgern, die den Ramadan feiern. 2023 geht die muslimische Fastenzeit vom 22. März bis zum 21. April. Dann trinken Muslime nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang nichts, erst bei Anbruch der Dunkelheit wird das Fasten gebrochen.

Fasten führt zur Ruhe

Samir Omar erklärt in Günthers Film: „Das Fasten bringt mich zur Ruhe. Ich verspüre große Dankbarkeit, weil ich merke, wie wertvoll ein Bissen Essen oder ein Schluck Wasser sein kann. Dadurch geht man mit Lebensmitteln anders um und lernt sie wertschätzen.“

Günther war es wichtig, auch die Bräuche der muslimischen Mitbürger in ihren Film aufzunehmen. „Ich glaube, wenn wir mehr über ihre Traditionen wissen, dann schaffen wir Nähe und können uns besser öffnen“, sagt sie. Auch neue Feste veranschaulicht Günther in ihrem Filmprojekt – so etwa den Tag des Nachbarn. „Viele ältere Mitbürger bedauern, dass es viele Traditionen nicht mehr gibt. Doch dafür gibt es neue: Der Tag des Nachbarn ist ein Datum, den jeder Dransdorfer nutzen kann, um etwas für die Gemeinschaft zu tun. Auch wenn Altes nicht mehr praktiziert wird, was hält uns davon ab, Neues zu etablieren?“, fragt sie und hofft auf viele kreative Ideen für Dransdorf in der Zukunft.

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