Heimatforschung in Bonn So verschwindet die Historie aus dem Ortsbild von Ückesdorf

Ückesdorf · Wenn Höfe und Fachwerkscheunen aus dem Stadtbild von Bonn-Ückesdorf verschwinden, hält Heinz Meyer die Erinnerung wach. Viel zu erzählen gibt es rund um die Hubertuskapelle, die auf einen Hundebiss zurückgeht.

 Heinz Meyer hat die Ergebnisse seiner Recherchen bereits museumsreif aufbereitet.

Heinz Meyer hat die Ergebnisse seiner Recherchen bereits museumsreif aufbereitet.

Foto: Stefan Hermes

Geschichten und Anekdoten sollen nicht in Vergessenheit geraten, auch wenn historische Gebäude wie die alte Fachwerkscheune an der Hubertusstraße abgerissen sind. Der Ückesdorfer Heinz Meyer hat deshalb mit Akribie die Historie von siebzehn Hofanlagen erforscht, die über Jahrhunderte das Gesicht des früheren Waldrodungsdorfes Uckenstorp prägten. Seine Ergebnisse würde er am Liebsten in einem Heimatmuseum präsentieren. Bisher gibt es aber noch keinen Ort, an dem der dafür eigens gegründete Verein seine wachsende Sammlung präsentieren kann.

Eine reich bebilderte Broschüre, die Meyer 2018 zur Feier von 300 Jahren Hubertuskapelle veröffentlichte, solle den Ückesdorfern eine Zeit nahebringen, die Meyer zum Teil noch selber erlebt hat. Seit 1975 lebt der pensionierte Projektleiter des Kolpingwerks mit seiner Frau Cäcilia Meyer, geborene Linke, in deren Elternhaus in direkter Nachbarschaft zur Hubertuskapelle und hat dort viele Entwicklungen seines Wohnortes hautnah miterlebt.

Die dichte Siedlungsarchitektur des idyllisch zwischen Brüser Berg, Röttgen und Kottenforst gelegenen Bonner Stadtteils gipfelt auf für Meyer kaum nachvollziehbare Art und Weise darin, wie sich ein Neubau der historischen Hubertuskapelle auf „Tuchfühlung“ annähern konnte. „Die Stadt Bonn hatte den Bauantrag damals abgelehnt“, erinnert sich der 85-Jährige und wundert sich bis heute darüber, dass der Bauherr seine Genehmigung schließlich aus Düsseldorf bekommen habe.

Nun sind auf dem unmittelbar an die Kapelle angrenzenden Grundstück die ersten Baufahrzeuge angerückt. Schon im vergangenen Herbst wurde ein mächtiger Walnussbaum gefällt. Er war Vorbote für den Abriss einer Fachwerkscheune, die den ehemaligen Hof Schöneseiffen zur Hubertusstraße hin abschirmte. Nun wurde nicht nur der Platz für einen weiteren Neubau geschaffen, sondern mit dem Fachwerk ist laut Meyer auch das letzte Relikt verschwunden, dessen Ursprünge sich auf eine Hofanlage zurückführen lassen, die nachweislich 1131 noch zum Bonner Cassiusstift gehörte.

1718 ließ die angesehene Bauernfamilie von Tilmannus Rheindorff von dort aus die Hubertuskapelle errichten. Meyer fand heraus, dass der Hof um 1806 umgebaut wurde. Mit Ackerland, Milchvieh, Geflügel, Pferden, Rinderhaltung sowie einer Getreidemühle verdiente Hubert Schöneseiffen zu dieser Zeit sein Geld. Erst 1965 wurde die Milchvieh- und Rinderwirtschaft eingestellt und nur noch Ackerbau sowie Forstwirtschaft betrieben. Die Nachfahren Schöneseiffens pflanzen und verkaufen heute noch Weihnachtsbäume.

Chronist Meyer hat auch eine Anekdote über die Herkunft der Hubertusstatue festgehalten, die in der Kapelle zu sehen ist: „Weit verbreitet war der Brauch am Hubertustag im Gotteshaus Brot zu segnen, das viele in die Kleider einnähten, um gegen die Tollwut gefeit zu sein.“ Der Ursprung des bis heute wach gehaltenen Brauchs komme aus dem Jahre 1727, als eine Frau auf dem Hof Schöneseiffen von einem tollwütigen Hund gebissen wurde.

 Einem Neubauvorhaben musste die historische Scheune auf der Hubertusstraße weichen.

Einem Neubauvorhaben musste die historische Scheune auf der Hubertusstraße weichen.

Foto: Repro Stefan Hermes

Barfuß soll sie sich auf eine Wallfahrt zum Grab des Heiligen Hubertus in den Ardennen begeben und aus Dankbarkeit für ihre Heilung die Hubertusfigur mitgebracht haben, die noch heute in der Kapelle steht. Seitdem wurde auf dem Hof Schöneseiffen das Brot mit einem Stempel versehen, der das Bild des Heiligen Hubertus zeigt.

Neben dem Brotstempel, der sich in Privatbesitz befindet, erhofft sich das Heimatmuseum für Röttgen und Ückesdorf noch viele weitere Devotionalien aus der Bürgerschaft. Die von Meyer verfasste Chronik zu den Höfen und der Hubertuskapelle in Ückesdorf wartet mit weiteren von ihm gesammelten Exponaten darauf, allgemein zugänglich gemacht zu werden.

 Hubert Schöneseiffen drückt dem Brauchtumsgebäck den Hubertusstempel auf (um 1950).

Hubert Schöneseiffen drückt dem Brauchtumsgebäck den Hubertusstempel auf (um 1950).

Foto: Repro Stefan Hermes

Meyer verfasste bei der Suche nach einem Museumsort auch einen „Hilferuf“, den er an 24 Adressaten aus Politik, Verwaltung und an Ortsinteressierte verschickte. Nur fünf Empfänger meldeten sich bei ihm. Politiker bedankten sich für sein Engagement und Privatpersonen spendeten nicht nur Geld für ein einzurichtendes Heimatmuseum, sondern kündigten auch Exponate wie beispielsweise ein original Treppenstück vom ehemaligen Röttgener Schloss an. Alles, was noch fehlt, ist ein geeigneter Ort für das Museum.

Meyer „droht“ inzwischen damit, seine Chroniken und Exponate dem Bonner Stadtmuseum zu überlassen, was allerdings Christoph Schada von Borzyskowski vom Lengsdorfer Heimatmuseums verhindern möchte. „Gerne nehmen wir die Arbeiten und Exponate von Ückesdorf in unser Museum auf“, ließ er den GA wissen. Es gebe schließlich eine historisch begründete Verbindung zwischen Lengsdorf und Ückesdorf.

„Sobald Ückesdorf selber mit einem Museum aktiv werden sollte“, so der Vorsitzende des Lengsdorfer Heimat- und Verschönerungsvereins, werde man selbstverständlich alle Exponate wieder zurückgeben. „Nur bevor alles nach Bonn geht, sollte es doch möglichst ortsnah gebündelt bleiben“, so Schada von Borzyskowski.

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