Graffiti-Workshop Hausbesitzer engagiert Sprayer für Hausfassade in Lengsdorf
Bonn · Ein Bonner Hausbesitzer hat eine Jugendgruppe zur Gestaltung der Gebäudefassade engagiert. Er lässt sich bewusst darauf ein, dass dort Graffiti aufgesprüht werden.
Überall sieht man die Schmierereien, meistens eilig und wenig kunstfertig gesprüht – als illegaler Sprayer hat man kaum die Zeit, große Graffiti-Kunstwerke irgendwo anzubringen. Eine Botschaft steckt selten dahinter, es geht eher um jugendlichen Leichtsinn und das bewusste Verschandeln von öffentlichem oder privatem Eigentum. Das müsste nicht sein, findet der Künstler und Unternehmer Eugen Schramm, wenn es mehr öffentliche Wände in der Stadt gäbe, auf denen Sprayern das erlaubt wäre.
Bei seinem Graffiti-Projekt muss sich niemand nachts im Gebüsch verstecken, bis die Luft rein ist: „Art one Bonn“ will jungen Leuten, die wenig Zugang zu Kunst und Kultur haben, eine Plattform geben, sich mit der Sprühdose auszuleben und nebenbei auch noch Techniken zu lernen. Gefördert wird das über das Projekt „Künste öffnen Welten“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ), die genau dieses Ziel auch verfolgt. Und so wird in jedem Bonner Stadtbezirk an einer größeren Wand gearbeitet.
Das Exemplar auf dem Hardtberg befindet sich in Lengsdorf, es ist eine Wand, die schon mehrfach künstlerisch gestaltet wurde. Das Gebäude gehört Herbert Rausch, der fortführen möchte, was sein Vater schon vor Jahrzehnten anberaumt hatte: Diese Wand an der Ecke Im Mühlenbach und Kreuzbergstraße ist groß und leer, die Idee war, sie mit Leben zu füllen. Das hat Schramm damals schon mit anderen Graffiti-Künstlern gemacht, jetzt darf er die Wand nutzen, um Jugendliche zu fördern. Die weiteren Flächen sind eine Bahnunterführung an der Friedrichallee in Bad Godesberg und eine in Oberkassel nebst angrenzender Steinwände – in beiden Fällen hat die Deutsche Bahn ihr O.K. gegeben – sowie in der Weststadt beim Zentrallager Sachspenden Bonn, dessen Fassadengestaltung auch schon Schramms Handschrift trägt.
Künstler werden vor Ort unterstützt
Dabei wird der Künstler von Einrichtungen vor Ort unterstützt: In Lengsdorf ist es das Jugendzentrum, Bad Godesberg das Oneworld Café, in Oberkassel der Beueler Verein Hoffnung Leben und in der Weststadt das ZeSaBo. Das gesamte Projekt zieht sich über ein halbes Jahr und teilt sich in mehrere Phasen auf. In der ersten geht es um grundlegende Kenntnisse und Techniken, die die Jugendlichen an den besagten Wänden ausprobieren können. Dafür wurden vorab Skizzen gemacht, dann konnten sie das Sprühen mit Schablonen üben, später abstrakte zeitgenössische Kunstwerke selbst erschaffen.
Die Jugendlichen hatten dabei freie Hand. Und wenn dabei eine „kiffende Maus“ herauskam, wie bei Julian, dann sprach auch nichts dagegen. Der 14-Jährige hatte vorher nie eine Sprühdose in der Hand, „ich bin ins kalte Wasser gesprungen“. Aber es macht Spaß und er hat vieles gelernt, was er vorher nicht wusste übers Sprayen.
Freihändiges Sprühen ist herausfordernd
Das freihändige Sprühen ist schon herausfordernder als das mit Schablonen, stellte Carla (14) fest. Für sie war das Projekt eine gute Gelegenheit, sich auszuleben. „Ich mache so oder so schon gerne Kunst“, sagte sie. Da kam ihr dieses Projekt sehr gelegen. Frederik (15) hatte sich schon mal an der legalen Graffiti-Wand in den Rheinauen versucht. „Da kann man aber nicht so gut üben.“ Und bei „Art one Bonn“ erhielt er viele gute Tipps im Umgang mit der Sprühdose. Er würde gerne besser werden und diese Kunstform intensiver ausüben. Aber dafür fehlt es an Wänden.
Das ist auch ein Anliegen von Schramm, der deswegen mit der Stadtverwaltung und den kulturpolitischen Sprechern der Fraktionen im Gespräch und diesbezüglich zuversichtlich ist. „Wir hoffen, dass die Stadt Bonn in der näheren Zukunft Wände zur Verfügung stellt.“ Die in den Rheinauen ist die einzige, nachdem die im Reuterpark den Bauarbeiten zum Opfer gefallen ist, das ist ihm zu wenig. „Wir wollen, dass die Jugendlichen legal sprayen dürfen“, sagt er. „Man wird natürlich nicht alle illegalen Graffitisprüher bekehren.“ Aber vielleicht kann man so verhindern, dass neue dazu kommen. Denn Graffiti-Schmierereien sind kein Kavaliersdelikt: Sie können bei Jugendlichen eine Strafe von bis zu fünf Jahren in der Jugendstrafanstalt nach sich ziehen, wenn man erwischt wird.
In der zweiten Phase ab dem 27. Juni werden die Jugendlichen alle gemeinsam die Wände mit Kunstwerken versehen, die hoffentlich lange bleiben sollen. Auch dazu gestalten die Teilnehmer das Konzept selbst. Insgesamt haben sich rund 50 junge Leute ab 14 Jahren angemeldet – Jüngeren, so Schramm, würde die Atemschutzmaske nicht passen, die sie beim Sprayen anziehen müssen. Ihn hatte überrascht, dass etwa die Hälfte davon Mädchen sind. „Das ist in der Graffitiszene nicht Standard.“ Es könnten sich auch jetzt noch Leute anmelden und mitmachen, sagt er. Infos dazu gibt es auf der Homepage www.artonebonn.de.