Verein Anonymer Krankenschein Bonn Das müssen Bonner ohne Krankenversicherung durchmachen

Bonn Endenich · In Deutschland gibt es zehntausende Menschen ohne Krankenversicherung. Wenn sie Zahnschmerzen haben, können sie nicht einfach zum Arzt gehen. Bei Krebs gibt es für sie keine Chance auf eine Therapie. Der Verein Anonymer Krankenschein Bonn versucht, ihnen zu helfen.

Kein Fall ist wie der andere, deshalb müssen Wilma Negroni und Sara Hennes (v.r.) viel besprechen.

Kein Fall ist wie der andere, deshalb müssen Wilma Negroni und Sara Hennes (v.r.) viel besprechen.

Foto: Meike Böschemeyer

Für die junge Frau aus Libyen gab es am Ende keine Hilfe mehr. Sie starb an Krebs. Ungefähr 30 Jahre alt sei sie gewesen, berichtet Sara Hennes vom Verein Anonymer Krankenschein Bonn (AKSB). Der hatte versucht, der Frau zu helfen. Denn die hatte weder eine Krankenversicherung noch das Geld für die Behandlung.

An den AKSB können sich Menschen wenden, die keine Krankenversicherung haben. Rund 400 Patienten hat der Verein, der vor zwei Jahren seine Arbeit aufnahm, laut eigenen Angaben in Bonn schon geholfen. Ein Arzt und eine Ärztin des Vereins machen eine erste medizinische Auswertung. Danach können sie den sogenannten anonymen Krankenschein ausstellen, mit dem die Patienten zu einem anderen Arzt gehen können, um sich weiter behandeln zu lassen.

Die Kosten für die Behandlung trägt der Verein. 90 Prozent der Gelder bekommt der AKSB von der Stadt, die die Finanzierung für drei Jahre zugesagt hat. Den Rest muss der Verein über Spenden aufbringen. Laut Hennes beläuft sich das Budget monatlich auf 8000 Euro. „Zur Einordnung: Eine Geburt kostet 5000 bis 6000 Euro“, sagt die Sozialarbeiterin, die zusammen mit ihrer Kollegin Wilma Negroni die Menschen in behördlichen Fragen berät und versucht, ihnen eine Krankenversicherung zu beschaffen.

Menschen leben Jahrzehnte ohne Krankenversicherung

In Deutschland gibt es laut Mikrozensus 61.000 Menschen ohne Krankenversicherung – trotz allgemeiner Krankenversicherungspflicht. „Die Dunkelziffer ist aber hoch“, sagt Hennes. Viele der Menschen, die beim Verein Hilfe suchen, haben keine Papiere, leben also illegal in Deutschland – oft schon seit Jahrzehnten. Es sind etwa Mitarbeiter von Botschaften oder Angestellte von Diplomaten, die in Bonn geblieben sind, als die Vertretungen der Länder nach Berlin umzogen. Sie besitzen oft keine Aufenthaltsgenehmigung, was Vermieter oder Arbeitnehmer ausnutzen. Kleinere Arztrechnungen können sie meist so begleichen, aber wenn die Menschen älter werden und die Behandlungen mehr kosten, wird es für sie schwierig.

Zu den Hilfesuchenden gehören aber auch Menschen, die wohnungs- oder obdachlos sind, sowie EU-Bürger, die keine Ansprüche auf Leistungen der Krankenversicherung haben. Auch viele Selbstständige kommen zum AKSB. Negroni erinnert sich an den Fall eines Deutschen, der selbstständig war, aber während der Corona-Pandemie keine Aufträge mehr bekam und schließlich sogar seine Wohnung verlor. Seine private Krankenversicherung konnte er nicht mehr zahlen, brauchte wegen eines Tumors aber dringend eine Operation. Über das Sozialamt bekam er schließlich Leistungen und war damit auch krankenversichert.

Bei ihrer Arbeit habe sie mit viel Leid zu tun, sagt Hennes. „Nicht immer gelingt es mir, das abzustreifen. Dann nehme ich das mit nach Hause.“ Aber in vielen Fällen könne sie den Menschen auch helfen. Die schöne Seite ihres Berufs: Sie kann mit ihrer Arbeit etwas bewegen.

Die Sprechstunde der Ärzte findet in den Räumen des Vereins, Endenicher Straße 95, statt. Immer dienstags von 17 bis 19 Uhr und donnerstags von 10 bis 12 Uhr. Kontakt: ☎ 0228/42 20 51 15 oder info@aks-bonn.de

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