Flutkatastrophe am Hardtbach Bonner Hochwasser-Opfer erwägen Klage gegen Stadt

Lessenich/Alfter · Die Hardtbach-Anrainer in Bonn und Alfter wollen besseren Hochwasserschutz – und zwar so schnell wie möglich. Das Erlebnis der Flutnacht vom 14./15. Juli 2021 lässt sie nicht zur Ruhe kommen.

 Der Hardtbach staute sich in der Flutnacht 14./15. Juli 2021 zurück, weil Treibgut den Durchlass an der Bahnhofstraße versperrte.

Der Hardtbach staute sich in der Flutnacht 14./15. Juli 2021 zurück, weil Treibgut den Durchlass an der Bahnhofstraße versperrte.

Foto: Benjamin Westhoff

Was der Hardtbach den Anrainern in Lessenich und Alfter vor sieben Monaten angetan hat, ist zwar nach außen nicht mehr sichtbar, aber der existenzielle Schrecken sitzt tief. In den ersten Wochen waren die Bewohner von Knappenmühle und Tulpenstraße auch von der bohrenden Frage gequält, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, und wer sie zu verantworten hätte. Ohne Vorwarnung hatte sich der Hardtbach durch den Starkregen in der Nacht vom 14./15. Juli zum reißenden Strom von einigen Metern Höhe aufgetürmt und die Anlieger überrascht. Die schlammige Brühe überschwemmte die Keller und teils das Erdgeschoss.

Jetzt treibt die Betroffenen die Sorge um, der Hardtbach könnte nach anhaltendem Regen wieder über die Ufer treten. Daher fordern sie von Bonn und Alfter, mehr für den Hochwasserschutz zu tun. Sie verweisen unter anderem auf das relativ neue Wohngebiet rechts des Hardtbachs, Bahnhofstraße/Brigitte-Schröder-Straße, dem ehemaligen Steinbach & Schäfer-Gelände. Dort wurden im Rahmen der Bebauung 2015 umfangreiche Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser verlangt. Sie haben sich in der Flutnacht bewährt.

Damit das Thema Hochwasserschutz bei den Verwaltungen nicht auf die lange Bank kommt, haben elf Anwohner aus dem Überschwemmungsgebiet Lessenich/Alfter am 21. Januar einen Brandbrief mit detaillierten Forderungen unter anderem an die Stadt Bonn, die Gemeinde Alfter und die Bezirksregierung als Obere Wasserbehörde geschickt – und warten dringend auf Antworten.

Seelische Belastung und Schreckensbilder

Vor Ort betonen die Anwohner im Gespräch, dass sie im Vergleich zu Betroffenen an der Ahr eigentlich glimpflich davon gekommen sind. Die Häuser stehen. Die Feuchtigkeit ist aus dem Gemäuer gezogen. Die Heizung ausgetauscht. Frisch tapeziert. Der Hausrat ist wieder am gewohnten Platz. Aber - alles gut sei noch lange nicht. Das existenzbedrohende Ereignis ließe sich nicht abschütteln wie einen bösen Traum; es gehe an die Substanz. Stephan Daehne, Anwohner an der Knappenmühle, leidet wie viele andere Betroffene unter der seelischen Belastung; die Bilder von Flut und Zerstörung wirken wie Plagegeister. Dass sein Zuhause wegen der Nähe zum Hardtbach nicht mehr sicher sein könnte ist nagender Zweifel. Daehne sagt, es fühle sich an wie „Gänsehautentzündung“.

„Zum Glück sind wir versichert“, resümiert Ulrich Kamp von der Tulpenstraße. Der Hochwasserschaden beläuft sich auf etwa 60 000 Euro. „Doch der Schaden insgesamt ist nicht mit Geld aufzuwiegen.“ Seit Dezember ist der Keller wieder nutzbar. Jetzt sind hochwassersichere Fenster eingebaut. Vorsichtshalber hat Kamp sein Arbeitszimmer vom Keller nach oben verlegt. Nach wie vor zu schaffen macht ihm der „unfreiwillige Abschied von Erinnerungen“, etwa die Videos seiner beiden Kinder, die nicht zu retten waren. Aufkommende Wellen von Niedergeschlagenheit kontert Kamp mit der Devise: „Das Leben geht weiter“. Ein Tapetenwechsel zur Entspannung kommt allerdings nicht in Frage. Der Politikwissenschaftler und seine Frau waren in Urlaub, als daheim die Flut hereinbrach. „Das war nicht irgendwo in der Welt, sondern bei uns“. Ein krasser Schock. Seither fahre er nur ungern weg.

Der Hardtbach als verbindendes Element

Immer noch kommt Kamp das Engagement der vielen Helfer in den ersten Wochen nach dem Hochwasser, die den Betroffenen buchstäblich aus dem Dreck geholfen haben, „unglaublich“ vor. Hilfreich auch, dass sich durch die Katastrophe eine gute Nachbarschaft mit den Anwohnern der Knappenmühle angebahnt hat. „Das macht vieles wett.“ Dazu muss man wissen, dass die Tulpenstraße zur Gemeinde Alfter gehört und das direkt angrenzende Wohngebiet An der Knappenmühle zu Bonn. Alfterer dort und Bonner hier hätten zuvor nicht so viel mit miteinander zu tun gehabt, so Kamp. Der Hardtbach als verbindendes Element spielte kaum eine Rolle. „Wir sprechen von Flutschäden in Millionenhöhe“, sagt Anwohner Elmar Esser. Er gehört zu den Verfassern des Brandbriefes. „Ist das Thema bei den Verwaltungen angekommen? Es tut sich wenig. Davon, dass Hochwasserschutzmaßnahmen schwierig und kostspielig sind, wollen wir nichts hören.“

Aktuell erklärt das städtische Presseamt auf GA-Nachfrage, die Anwohner würden in Kürze eine Antwort auf das Schreiben bekommen. „Die Stadt Bonn und die Gemeinde Alfter sind bereits seit längeren Zeit im Austausch mit den Anwohner An der Knappenmühle und der Tulpenstraße“, sagt Markus Schmitz. Ende November gab es auf Initiative der CDU-Stadtverordneten Ursula Sautter ein Treffen der Hardtbach-Anrainer mit dem Bonner Tiefbauamtsleiter Peter Esch und dem Alfterer Bürgermeister Rolf Schumacher (der GA berichtete). Sautters Vorschlag einer Hochwasserpartnerschaft Bonn-Alfter zur besseren Abstimmung von Maßnahmen hat der Rat jetzt auf den Weg gebracht.

Durchlass Bahnhofstraße zu schmal

Als Achillesferse und eine Ursache für die Überschwemmung bewertet Esch die Brücke an der Bahnhofstraße. Der Durchlass müsste vergrößert werden. Mittlerweile hat das Tiefbauamt dort eine Voruntersuchung durchgeführt. Es sollte geklärt werden, ob eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit am Durchlass Bahnhofstraße zu Stauproblemen vor den Durchlässen unterhalb führen würde. „Dies ist nicht der Fall“, sagt Markus Schmitz vom Presseamt. „Die Stadt wird daher noch in diesem Jahr die Planung für den Bereich aufnehmen.“ Finanzmittel für die bauliche Umsetzung sollen für den kommenden Doppelhaushalt 2023/24 angemeldet werden. Allerdings müssten, bevor Bagger anrollen, noch einige Genehmigungsverfahren absolviert werden.

„Unser Schreiben ist eine Warnung“, sagt Anwohner Esser“, „dass wir nicht bis zum  Sankt-Nimmerleinstag warten werden.“  Eine Klage gegen Bonn und Alfter wegen Amtspflichverletzung sei nicht ausgeschlossen. Esser will den rüden Ton erklären: „Die Behörden müssen verstehen, dass wir Betroffene müde und demotiviert sind. Einige wollen sogar wegziehen.“

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