Serie: Bonn International Bonnerin versteht sich als Botschafterin Aserbaidschans
Duisdorf · Naiba Haciyeva betreibt in Bonn ein Modegeschäft. Sie kam vor mehr als 30 Jahren aus Aserbaidschan nach Deutschland und erwartete ein Land, in dem die Straßen „mit Shampoo“ gewaschen waren. Was sie vorfand, war etwas ganz anderes.
Es komme vor, sagt Naiba Haciyeva, dass Kundinnen sie mit „Frau Baku“ ansprechen. Leicht daneben: Bei Baku handelt es sich um die Hauptstadt Aserbaidschans, nach der Haciyeva ihr Geschäft auf der Rochusstraße benannt hat. Auch ihr Restaurant, das sie bis vor einigen Jahren in Endenich betrieb, trug den Namen „Baku“. „Überall stand Baku“, erinnert sie sich lachend. Ihre Lieferanten hätten ihr damals gesagt, das sei kein guter Name. Keiner in Deutschland würde Baku kennen. Grund genug für Haciyeva, den Namen beizubehalten.
„Aserbaidschan ist ein wunderschönes Land“, sagt sie. Würde man es bereisen, würde man es lieben. Als sie nach Deutschland kam, habe sie erschreckt, wie wenig Menschen etwas über ihre aserbaidschanische Heimat wussten. Kaum jemand habe das Land zwischen Ukraine und Iran, das bis 1991 ein Teil der Sowjetunion war, auf der Karte zeigen können.
In Nachitschewan, etwa 200 Kilometer Luftlinie von der am Kaspischen Meer gelegenen Hauptstadt Baku, kam Haciyeva als das siebte von zehn Kindern auf die Welt. Im Alter von 22 Jahren verließ sie ihre Heimat, um ihrem Ehemann zu folgen, der zu dieser Zeit als Soldat der russischen Armee in der DDR stationiert war. „In Aserbaidschan hatte man immer ein Loblied auf Deutschland gesungen“, sagt sie.
Man sprach von den erfolgreichen, pünktlichen und ehrlichen Deutschen. Alles sei so sauber. Die Straßen wären dort „mit Shampoo“ gewaschen“, habe es geheißen, gibt Haciyeva lachend wieder. „Doch als ich nach Eberswalde kam“, sagt sie, „dachte ich, nicht in Deutschland gelandet zu sein.“ Keine der Verheißungen hätten sich dort für sie bewahrheitet.
Das erste Mal die bunte Welt gesehen
Erst nach dem Mauerfall lernte sie Berlin kennen und erlebte plötzlich eine Internationalität, die sie bisher nur aus Geschichtsbüchern kannte. „Da habe ich zum ersten Mal eine bunte Welt gesehen.“ Die Begeisterung für fremde Kulturen hat sie seitdem nicht mehr losgelassen.
Fern der Heimat, die sie immer noch an erster Stelle in ihrem Herzen trägt, ist sie zu einer Brückenbauerin zwischen den Kulturen geworden. Sie möchte, dass die Menschen, denen sie begegnet, mehr über Aserbaidschan erfahren. Gerne würde sie die, ihrer Meinung nach verfälschten, Berichte über den Krieg um Bergkarabach mit dem Wissen ihrer Familie und Freunde in Aserbaidschan korrigieren.
„In meinen Vorträgen habe ich immer schon erzählt, was die Russen mit uns tun“, sagt sie, doch erst jetzt seien die Menschen durch den Krieg in der Ukraine wach geworden. Dass sie Vorträge über ihre Heimat hält, hatte sich durch ihre Kochkünste ergeben. Schon früh hatte sie begonnen, für den Kindergarten ihrer Kinder aserbaidschanische Gerichte zu kochen und kam darüber mit Eltern und Nachbarn ins Gespräch.
Schon bald füllte sie Weinblätter oder kochte Plov, das aserbaidschanische Nationalgericht aus Reis, Zwiebeln und Brühe für Feste von Kirchen oder Feuerwehr und verkaufte ihre Speisen für wohltätige Zwecke. Dabei suchte und fand sie immer auch das Gespräch über Aserbaidschan.
Vortragsreihe über die Heimat
Daraus hat sich eine Vortragsreihe entwickelt, bei der sie auch von ihren Kindern Gülnar (32) und Ikhtijar (27) Unterstützung erfuhr - wofür sie sehr dankbar sei. Ihretwegen hatte sie sich 1999 nach der Scheidung von ihrem Mann auch dazu entschieden, in Deutschland zu bleiben. Ihre Kinder sollten die bestmögliche Ausbildung bekommen. Beide machten ihr Abitur am Clara-Schumann-Gymnasium.
Gülnar ist verheiratet und lebt in Wesseling; Ikhtijar, der sich selber schon als Dreijähriger lieber den Namen „David“ gab, studiert heute Jura in Köln. Auch seine Mutter hätte gerne studiert, so wie es alle ihre Geschwister getan haben, doch konnte sie es sich in ihren frühen Jahren in Deutschland nicht leisten. Da war nur einmal ein Deutschkurs für 1000 Euro im Goethe-Institut machbar. Deutsch hat sie sich ansonsten selber beigebracht.
„Ich wollte nach meiner Scheidung beweisen, dass es starke Frauen nicht nur in den Romanen, sondern auch im realen Leben gibt“, sagt sie und erzählt davon, wie sie viele Jahre als Verkäuferin gearbeitet hatte, bevor sie sich 2008 in Endenich mit ihrem Restaurant „Baku“ selbstständig machte.
Entgegen aller Warnungen entwickelte sich das Lokal prächtig. Nach und nach wichen die internationalen Gerichte zugunsten der aserbaidschanischen von der Karte. Hätten sie 2013 gesundheitliche Probleme nicht zum Aufhören gezwungen, wäre sie auch heute noch gerne als Gastgeberin in Endenich. Stattdessen sitzt sie nun in ihrem kleinen Modegeschäft „Baku“ in der Duisdorfer Fußgängerzone.
Haciyeva bietet in ihrem Geschäft italienische Mode an
Auch dort hat sie schnell ihre Stammkundschaft gefunden. Man ist gut untereinander vernetzt. Begonnen hatte sie ihren Modehandel 2016 mit Hochzeits- und Abendkleidern, was jedoch während der Corona-Pandemie kaum noch nachgefragt war. Nun scheint ihre Auswahl von zumeist italienischer Mode und ausgefallenen Accessoires den Geschmack des von ihr gewünschten internationalen Publikums zu treffen.
„Egal ob bei meinen Vorträgen, im Restaurant oder im Geschäft“, sagt sie, „meine Kunden und ich sind zu einer Familie geworden“. Bei ihr gehe es nicht ums schnelle Einkaufen, sondern um ein soziales Miteinander. Dafür sei sie sehr dankbar. Ob sie sich vorstellen könne, im Alter wieder nach Aserbaidschan zu ziehen? Nach einem Moment der Stille antwortet Haciyeva, dass sie ihre Kinder alleine und ohne jedwede Unterstützung großgezogen habe, „darum möchte ich hier auch eines Tages das Lächeln meiner Enkelkinder sehen.“
Der Deutsch-Aserbaidschanische Freundschaftsverein ist per Telefon unter 0178 8780343 oder per Email, dafvnh@web.de zu erreichen.