Porträt von Rania Al-Khatib Das Talent zum Spendensammeln

Bonn · Für die Bonnerin Rania Al-Khatib ist soziales Engagement Herzenssache. Sie ist im Flüchtlingsheim geboren und aufgewachsen. Ihre Vorbilder sind die Flüchtlingshelfer.

 Rania al-Khatib auf dem Meßdorfer Feld: Die 37-Jährige lebt in Dransdorf. Bonn hat sie lieben gelernt.

Rania al-Khatib auf dem Meßdorfer Feld: Die 37-Jährige lebt in Dransdorf. Bonn hat sie lieben gelernt.

Foto: Benjamin Westhoff

So oft wird Rania Al-Khatib nach ihrer Herkunft gefragt, manchmal sogar auf Englisch. Dabei ist Deutsch ihre Muttersprache.  „Ich bin gebürtige Oberbayerin“, sagt die junge Frau.  Dass sie Kopftuch trägt, bringt ihr meist einen zweiten verstohlenen Blick ein, den sie mit einem selbstbewussten Freudestrahlen erwidert. „Es ist doch egal, mit welchem Namen man Gott anspricht.“

Nicht egal sind ihr die Menschen.  „Jeder hat Verantwortung für den anderen“, so ihr Credo.  Sowohl beruflich wie auch privat engagiert sie sich sozial – „das ist eine Herzensangelegenheit“.  Und wenn’s darum geht, auch rund um die Uhr.  „Ich opfere nicht Zeit, sondern investiere sie.“ Die 37-Jährige wohnt in Dransdorf und arbeitet seit 14 Jahren im Post Tower. Für sie ist selbstverständlich, dass auch Unternehmen sich sozial engagieren.

Daher fühlt sie sich als Senior Expertin Corporate Citizenship bei der Deutsche Post DHL Group auf den richtigen Platz gestellt. Sie koordiniert das freiwillige soziale Engagement der DHL-Mitarbeiter weltweit. Privat hat Al-Khatib unter dem Titel „Helden gesucht“ eine Plattform für Hilfsprojekte und Fundraising aufgebaut. Und: Sie arbeitet als Notfallseelsorgerin.

Aber wie schafft man das alles? „Ich bin Logistikerin. Mein Handwerkszeug ist Planung und Steuerung – ohne Umweg zum Ziel.“ Die Anlage dazu müsse ihr in die Wiege gelegt worden sein. „Mein Urgroßvater hat Karawanen durch die Wüste geführt. Das war zur damaligen Zeit eine große logistische Leistung. Ich musste also bei der Post landen“, sagt sie und lacht.

Völlig klar, ein Lebensweg kann so gradlinig gar nicht verlaufen. Rania Al-Khatib vergleicht ihn mit einem Puzzle, in dem sich die Steine nach und nach zu einem Bild gefügt haben.  1948 flohen die Eltern aus Palästina in den Libanon geflohen und 1978 von dort nach Deutschland. Rania wurde als jüngste von acht Kindern in der oberbayerischen Kreisstadt Neuburg an der Donau geboren. In den ersten vier Lebensjahren war das Flüchtlingsheim ihr Zuhause.  „Ich erinnere mich an drei Highlihts: den Besuch im Zoo, die Weihnachtfeier und Fasching.“

Die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer seien zuverlässige Ansprechpartner  und Verbindung zur Welt außerhalb des Heims gewesen. Ein Puzzlestein: „Sie wurden mein Vorbild. So wollte ich mich auch engagieren.“ Mit 16 erhielt sie die deutsche Staatsangehörigkeit. „Das klingt lapidar. Für mich bedeutete das eine unfassbare Freiheit. Ich durfte reisen!“  Und sie habe es getan, als würde „ein großer Durst gestillt“.

Auf das Abitur folgte ein Duales Studium bei der Deutschen Post mit vielen Stationen im Ausland – ein weiterer Puzzlestein.  Sie blieb bei DHL. 2005 wurde sie nach Bonn versetzt. „Zuerst habe ich mich gewehrt; bitte nicht Bonn.  Aber schon im ersten Jahr habe ich die Stadt lieben gelernt. Bonn ist ja relativ klein, aber dennoch absolut international. Die rheinische Frohnatur ist mein Ding. Eine faszinierende Atmosphäre.“ Und die Reiselust hat Al-Khatib wegen des Klimaschutzes eingeschränkt.

Ein wichtiger Puzzlestein fehlte noch: Sie wollte das Herkunftsland ihrer Familie kennenlernen – Palästina. Die Eltern hatten Bedenken, weil sie allein reisen wollte, konnten die Tochter aber nicht hindern.  Indes wollte  sie 2012 nicht einfach als Touristin reisen, sondern in dem von Besatzung und Terror gebeutelten Land einen sozialen Beitrag leisten. „Mir wurde klar, dass ich im Vergleich mit den Menschen dort ein Glückskind bin“, sagt die 37-Jährige. „Ich leide keine Not; aus dem Hahn kommt Trinkwasser; in Europa kann ich ohne Sperren Tausende Kilometer reisen. Dafür bin ich jeden Tag dankbar.“  In Kooperation mit den SOS-Kinderdörfern startete die junge Frau eine Spendenaktion und hatte im Nu die ersten 5000 Euro für einen Skatepark in Bethlehem eingesammelt. „Für Fundraising habe ich Talent.“ Seither initiiert Al-Khatib jedes Jahr ein Projekt und fährt für eine Woche nach Palästina.

Aber sie wollte privat mehr Projekte anstoßen und unterstützen. Nach einiger Überlegung setzte sich die Logistikerin durch. Ein klassisch gemeinnütziger Verein würde zu viele Zeitressourcen binden.  „Ich wollte eine effiziente Struktur.“ Al-Khatib gründete die GmbH „Helden gesucht“ und machte eine Plattform öffentlich zugänglich. Acht Hilfsprojekte – etwa in Mali, im Benin, in Bosnien – haben Bundesbürger, die jeweils auch für die Aktion verantwortlich sind, mit Unterstützung von Al-Khatib bereits von der Internetplattform aus angestoßen.

„Ich sammele Begegnungen mit Menschen. Das ist meine Währung“, resümiert die Netzwerkerin Rania Al-Khatib. Und sie sammelt Erlebnisse. „Das Funkeln in den Augen, wenn Menschen sich von Herzen freuen, das ist auch mein Glücksmoment.“  Doch ebenso wichtig ist ihr der Einsatz bei der Notfallseelsorge Bonn-Rhein-Sieg.

Dort begleitet sie Menschen, deren Angehörige beispielsweise bei einem Unfall ums Leben gekommen sind oder Selbstmord begangen haben. Sorge bereitet ihr, „dass inmitten unserer Gesellschaft Menschen leiden und nicht gesehen werden“.

Sie mahnt an, dass jeder Mensch Verantwortung auch für den anderen habe. „Egal geht gar nicht.“ Gegen das Schwere und Belastende solcher Begegnungen hat die junge Frau gelernt, sich abgrenzen. „Man muss loslassen können.“ Und wenn es ganz Dicke käme, helfe ihr ein Ausspruch des Propheten Mohammed: „Kamel anbinden und auf Gott vertrauen.“

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