Bonner Venusberghang Die Archäologen reden beim Hochwasserschutz ein Wörtchen mit

Venusberg/Kessenich · Auf der einen Seite eine jahrtausendealte Wallmauer, auf der anderen Seite notwendiger Hochwasserschutz: In Kessenich müssen Archäologen und Tiefbauamt miteinander reden, wie ein Bodendenkmal und ein Regenrückhaltebecken unter einen Hut kommen können.

 Philipp Groß untersucht einen Bohrkern in dem Areal, auf dem die ältesten Relikte jungsteinzeitlicher Bauern in Bonn gefunden wurden.

Philipp Groß untersucht einen Bohrkern in dem Areal, auf dem die ältesten Relikte jungsteinzeitlicher Bauern in Bonn gefunden wurden.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Erinnerungen an das Sommergewitter vom 12. August 2020 hat sich bei den Anwohnern rund um das Kessenicher Klösterchen ins Gedächtnis gebrannt: Nach einem Wolkenbruch strömten an diesem Nachmittag gewaltige Wassermassen durch den Ort und fluteten innerhalb weniger Minuten Straßen, Häuser und Keller. Damit sich solche Katastrophen in Zukunft nicht wiederholen, will die Stadt oberhalb des Rosenburgwegs ein neues Regenrückhaltebecken errichten. Gebaut werden soll es im Bereich Hauweg/Bergstraße (der GA berichtete).

Ganz so einfach ist die Planung jedoch nicht. Denn das Areal liegt einerseits im Landschaftsschutzgebiet. Andererseits ist es Teil eines eingetragenen Bodendenkmals. Daher müssen sowohl Umweltschützer als auch das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege ihr Okay geben, bevor die Bagger anrollen. Erst wenn alle Genehmigungen vorliegen, kann mit der konkreten Projektplanung begonnen werden.

Während der Landschaftsbeirat bereits grünes Licht gegeben hat, wartet das Tiefbauamt jetzt auf die Zustimmung der Archäologen. Schließlich muss ausgeschlossen werden, dass durch die notwendigen Erdarbeiten Überreste der dortigen Wallanlage weder zerstört noch beschädigt werden. Daher nehmen Archäologen derzeit das Areal genau unter die Lupe.

Bereits im April suchten sie mit Metalldetektoren nach Spuren der frühen Siedler. In diesen Tagen erfolgt dann die Sondierung des Geländes durch Bohrungen in einem festgelegten Raster. Dabei handelt es sich um „minimalinvasive archäologische Untersuchungen“, um die Gefährdung des archäologischen Bodendenkmals besser abschätzen zu können. „Wenn alles gut läuft, können wir circa Mitte nächsten Jahres mit dem Bau des Regenrückhaltebeckens beginnen“, erklärt Marc Hoffmann vom Presseamt auf GA-Anfrage. „Das hängt unter anderem von den Ergebnissen der Untersuchungen in der kommenden Woche ab.“

„Die Vorgehensweise zum Umgang mit dem Bodendenkmal ist zwischen dem Tiefbauamt und der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Bonn sowie uns abgestimmt und dient der notwendigen Sachverhaltsermittlung im Vorfeld der Planung“, erklärt Jens Schubert vom LVR. Es werde dort in Zukunft weitere archäologische Maßnahmen geben, die von seiner Behörde überwacht werden.

Die Anwohner rund um das Kessenicher Kriegerdenkmal fordern bereits lange, dass ihr Wohngebiet besser vor Überflutungen geschützt wird. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre weiß man, dass der Venusberghang nicht zuletzt wegen der klimatischen Veränderungen immer stärker von Sturzfluten betroffen sein wird.

Der Kanal ist schnell voll

Bei Extremwetter im Sommer ist das Kanalnetz am gesamten Hang schnell komplett gefüllt, Oberflächenwasser kann nicht mehr aufgenommen werden und es kommt zum Überstau. Mit der Folge, dass Wasser aus der Kanalisation zurück in die Häuser sowie auf die Straßen fließt. Im August 2020 war die Tragschicht oberhalb des Rosenburgwegs in wenigen Minuten unterspült. Steine, Schotter sowie Schlamm blockierten den Hang von der Nikolaus- über die Pütz- bis hin zur Hausdorffstraße. Damals wurde sogar eine Autofahrerin in Höhe des Kriegerdenkmals in ihrem Auto eingeschlossen und konnte erst nach etwa einer Stunde befreit werden. In Zukunft soll bei solchen Extremwetterlagen das Wasser oberhalb des Orts im neuen Rückhaltebecken gesammelt werden.

Während die meisten Anlieger im Tal den Bau befürworten, gibt es oberhalb auch einige, die das Projekt kritisch betrachten. „Das ist ein massiver Eingriff in ein wichtiges Naherholungsgebiet“, beklagt ein Kessenicher, der namentlich nicht genannt werden will. Er ärgert sich, dass für den Bau einige Bäume abgeholzt werden müssen. „Als Alternative zu einem großen Becken könnte man ein Konstrukt aus mehreren miteinander verbundenen kleineren Kunststofftanks errichten“, schlägt er vor. Begrünt würden sie zudem besser in die Landschaft passen.

Venusberghang seit Jahrtausenden Wohnlage

Der Venusberghang war offenbar schon vor Jahrtausenden eine bevorzugte Wohnlage. Das belegen wissenschaftliche Studien aus den 1980er Jahren. Eine Radiokarbon-Untersuchung brachte damals die Erkenntnis, dass die dortige Wallanlage ihre Ursprünge in der Michelsberger Kultur um 4100 vor Christus hat. Der Wall ist damit der älteste Nachweis dauerhafter Präsenz jungsteinzeitlicher Bauern im Stadtgebiet. Die Anlage umschloss ein etwa 15 Hektar großes Gelände – dies allerdings nur teilweise.

Wo der Hang steil abfällt, konnten sich die Erbauer das Ausheben des Grabens sparen. Fachleute sprechen daher von einer Abschnittsbefestigung. Vergleichbare Anlagen im Rheinland sind infolge landwirtschaftlicher Nutzung heute eingeebnet und damit nicht mehr sichtbar. „Ohne Zweifel ist die Wallanlage auf dem Venusberg eine archäologische Rarität“, bewerteten die Archäologen damals die Grabungsergebnisse.

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