Skulptur auf dem Finkenhof Ein fast vergessener Vogelschwarm

Duisdorf · Eine stattliche Skulptur von Fritz Melis steht fast unbemerkt am Finkenhof. Dabei wiegt es 1,3 Tonnen und ist sechs Meter hoch.

 Vor dem grünen Baum verschwindet die Skulptur fast, obwohl das Denkmal sechs Meter hoch ist.

Vor dem grünen Baum verschwindet die Skulptur fast, obwohl das Denkmal sechs Meter hoch ist.

Foto: Richard Bongartz

Es ist die Geschichte einer Ecke, die sich eigentlich gar nicht versteckt. Groß wie ein Riese, nämlich sechs Meter hoch, steht sie schon seit Jahrzehnten an ihrem Platz. Für Jedermann sichtbar, und doch von so vielen unbemerkt und übersehen. Die Kunst im öffentlichen Raum am Finkenhof, eine stattliche Plastik, verdient eigentlich mehr Aufmerksamkeit. Dabei macht sie es dem Betrachter nicht leicht. Denn es fehlt jeder Hinweis zu dem Künstler und was das Gebilde darstellen soll. Handelt es sich vielleicht um ein Kriegsdenkmal?

„Es war von Anfang an da“, meint ein Händler der Siedlungsladenzeile, aber die meisten gingen einfach vorbei. Eine Anwohnerin hat gehört, dass es sich um fliegende Finken handele. Tatsächlich: Umher kreisende Vögel sind in ihrer abstrakten Form gut zu erkennen. Wobei es keine Gattung gibt, die Tiere also namentlich nichts mit der 1966 bezogenen Siedlung – dem Finkenhof – zu tun haben. Eine Mitarbeiterin des Bonner Kunstmuseums, ein wandelndes Archiv, konnte sich direkt erinnern, dass das Werk „Auffliegender Vogelschwarm“ heißt und von Fritz Melis (1913 bis 1982) stammt. Es steht an der Ecke Julius-Leber- und Goerdeler Straße. Da das Kupfer grüne Patina angesetzt hat, fällt es neben dem noch höheren Baum kaum auf.

Das Kunstwerk aus 16 Kupferplatten ist exakt 6,20 Meter hoch und misst an der breitesten Stelle 4,50 Meter. Es wiegt 1,3 Tonnen, so dass der Hersteller, die Eßlinger Firma Metall Haug, es per Schiff nach Bonn brachte. Im Hafen wurde die Kiste dann auf einen Schwertransporter verladen. Der brauchte in der Nacht auf Samstag, 18. Juli 1970, zwei Stunden für die Fahrt zum Finkenhof – begleitet von einer Polizeieskorte. An dem Tag wurde der „Vogelschwarm“ mit einem 17-Tonnen-Spezialkran direkt auf seinen Betonsockel gehievt. Damit er stabil steht, wurde ein verzinktes Stahlgerippe unsichtbar eingearbeitet. Auftraggeber war damals die Allianz Versicherung AG.

In einer Dissertation an der Bonner Uni über Skulpturen im öffentlichen Raum stehen weitere Details zu Melis‘ Werk. „Die aufsteigenden Vögel berühren sich an den Flügel- und Schwanzspitzen, wobei nur die beiden untersten mit dem Betonsockel verbunden sind“, schreibt Gabriele Zabel-Zottmann. In Höhe des fünften und siebten Tieres kreuzen sich die Vögel. „In der Beschränkung auf geometrische Grundformen wie Dreiecke (Kopf und Körper) und Trapeze (Schwanz) zeigt sich die Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Kubismus“, so Zottmann. Die Dreiecke, sprich Flügel, simulieren Flugbewegungen. Alles wirke lebendig. Der Schwarm könne auch als Symbol der Freiheit gesehen werden, „da die umliegenden Straßen die Namen von Widerstandskämpfern tragen“.

Melis‘ Tochter Daniela Melis-Luitz aus Bietigheim-Bissingen (Baden-Württemberg) weiß, dass ihr Vater weitere Kunstwerke für die Stadt Bonn geschaffen hat. Zum Beispiel eine Betonschildkröte auf einem Spielplatz im Regierungsviertel. Aber auch die riesige Weltkarte aus Kupfer, die seit den 50er Jahren im Sitzungssaal des Auswärtigen Amtes hing, stammt von dem gebürtigen Berliner. Wie auch zwei bronzene Kronenkraniche an einer Bonner Villa.

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