Spurensuche in Stalingrad Ein Grab in der russischen Steppe

DUISDORF · Detlef Krug aus Duisdorf suchte nach den Gebeinen seines Vaters, der 1942 bei Stalingrad fiel. Am Donnerstag berichtet er im Gemeindehaus an der Johanniskirche von seiner Reise.

 Detlef Krug hält den Brief in der Hand, mit dem seine Mutter Else über den Tod ihres Mannes informiert wurde. Vor ihm liegt das Foto, das die Wehrmacht vom Grab Erwin Krugs machte, dazu Tagebuchnotizen.

Detlef Krug hält den Brief in der Hand, mit dem seine Mutter Else über den Tod ihres Mannes informiert wurde. Vor ihm liegt das Foto, das die Wehrmacht vom Grab Erwin Krugs machte, dazu Tagebuchnotizen.

Foto: Martin Ochmann

Erwin Krug hat seinen Sohn Detlef ein einziges Mal gesehen. Das war zwischen dem 5. und 7. Februar 1942. Einen Monat war Detlef Krug da alt. Zwei verschwommene Schwarz-Weiß-Fotos gibt es, sie zeigen den jungen Vater. Ein wenig ungelenk hält er den Sohn, zurückhaltend lächelt er in die Kamera.

Erwin Krug starb am 12. Juli 1942, fünf Tage vorher war er 23 Jahre alt geworden. "Bei der Säuberung des südlichen Donufers traf ihn die feindliche Kugel unmittelbar am Kopf, eine Verletzung, die den sofortigen Tod verursachte", steht in der Feldpost. Sie steckt in einem schmutzigblauen Umschlag, gestempelt in Mainz am 1. August 1942.

"Mainz, Ausgangs- und Endpunkt der Rheinreisen", steht fröhlich auf dem Umschlag, mit dessen Inhalt Else Krug erfährt, dass sie Soldatenwitwe ist. "Meine Mutter war ihr Leben lang Kriegerwitwe", sagt Detlef Krug. Sie heiratet nicht wieder, verdrängt das Erlebte und auch der eigene Sohn erfährt nichts von seinem Vater.

Die wenigen persönlichen Erinnerungen an den Mann stecken in einer kleinen Kiste, die Else Krug hütet, und die der Sohn nach seiner Pensionierung entdeckt. Zum ersten Mal hält Krug persönliche Gegenstände seines Vaters in der Hand: Fünf Reichsmark, ein Zigarettenetui, goldfarben, mit roten Rosen. Es sind die Sachen, die die Wehrmacht Else Krug zuschickte, nebst penibler Inventarliste.

Dazu zwei Fotos vom Grab des Mannes, Hakenkreuz auf Holzkreuz, irgendwo in der russischen Steppe. Fragt man Detlef Krug, was er in diesem Augenblick empfunden hat, antwortet er ausweichend umständlich, doch mit nass schimmernden Augen. "Da sagte ich mir: Ich will meinen Vater kennenlernen." Doch eine erste Anfrage beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bleibt zunächst ohne Erfolg.

Nach dieser Anfrage schreibt die Deutsche Dienststelle Berlin, die ehemalige Wehrmachtsauskunftsstelle, dass der Vater nördlich von Nowy Gran Gresky in der Ukraine gefallen sei. Doch den Ort, das ergeben Krugs Recherchen, gibt es nicht. "Für mich war die Suche damit abgeschlossen", sagt Krug. Doch 2010 erhält er einen Brief vom Volksbund. "Das Dorf Nowaja Grani, bei dem die Gebeine ihres Vaters gefunden wurden, befindet sich im Gebiet Woronesch, ca. fünf Kilometer südöstlich der Kreisstadt Liski", heißt es darin.

Krug erfährt weiter, dass die Gebeine umgebettet wurden, sein Vater liegt auf dem Soldatenfriedhof Rossoschka, 30 Kilometer westlich von Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad. Noch im selben Jahr fährt Krug nach Wolgograd. Es ist Juli, in der Steppe ist es bis zu 40 Grad heiß. Und Krug fühlt sich seinem Vater nahe. "Ich musste an seine Briefe denken. In denen beschreibt er, wie sie bei sengender Hitze marschierten." Als Detlef Krug nach Rossoschka fährt, nimmt er einen Stein vom Grab seiner Mutter in Kastellaun mit. Er legt ihn auf die Mauer mit den zigtausenden Namen deutscher Soldaten, oberhalb des Namens seines Vaters, Erwin Krug.

Die Kriegsgräberfürsorge

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge kümmert sich im Auftrag der Bundsregierung um die deutschen Kriegsgräber im Ausland. Gegenwärtig betreut der gemeinnützige Verein 825 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten mit etwa 2,5 Millionen Toten. In Osteuropa suchen seine Mitarbeiter noch immer nach verstreuten Grablagen und exhumieren jährlich über 40.000 Tote, die auf zentrale Friedhöfe umgebettet werden. Dabei konnten sie zahlreiche Schicksale aufklären.

Kostenlose Auskunft gibt es unter der Rufnummer 0561/70 09-0. Im Internet unter www.volksbund.de kann jeder selbstständig nach Angaben zu Grablagen suchen (Gräbersuche online).

Von der Suche nach den Gebeinen seines Vaters erzählt Detlef Krug am Donnerstag ab 19.30 Uhr im Gemeindehaus an der Johanniskirche, Bahnhofstraße 63.

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