Reime mit lokalem Bezug und Pointe Ein Krätzje zum Verkehr in Bonn
Bonn · Martin vom Dorp gehen die Ideen für Krätzjer nicht aus. Manchmal begleitet er sie auf der Gitarre. Aber was genau macht diese rheinischen Verse aus? Und woher nimmt der Ippendorfer seine Inspirationen?
„Hallo Herr Knopp, anbei mal ein paar Zeilen - ich könnte schon wieder weiterschreiben...“ Im Anhang der Mail von Martin vom Dorp findet sich ein Krätzje zum Verkehr in der Bundesstadt. „Bonn total!“ hat er es genannt, und der Inhalt zeugt davon, welche schlechten Erfahrungen der Ippendorfer unterwegs in den Straßen gemacht hat – und davon, wie er die Dinge trotzdem mit Humor nimmt.
Das hat er mal eben an einem Abend runtergeschrieben. Krätzjer schreiben, das ist eine seiner Leidenschaften, spätestens seit vom Dorp zur Eröffnung des Ippendorfer Bücherschranks einige dieser Dreizeiler – die eigentlich noch eine halbe vierte Zeile haben – geschrieben und vorgetragen hat. Seitdem verfasst er immer mal wieder solche Verse, manchmal drei bis vier im Quartal, dann wieder längere Zeit keine.
Das sind gerne Texte über Freunde und Bekannte, die runde Geburtstage feiern. Manche fragen gezielt danach, erzählt er, andere überrascht er damit. „Das sind Leute, deren Charaktereigenschaften ich kenne.“ Bei denen er weiß, dass sie sich auch mal auf die Schippe nehmen lassen. „Denn ich kann mir den Biss nicht verkneifen, der da reingehört.“
„Krätzjer“, Mehrzahl von „Krätzje“ – das ist vom Dorps bevorzugte Schreibweise unter den vielen, die es gibt. Also nicht Krätzche, Krätzge oder Krätzchen. So oder so, die Verse bestehen in der Regel aus drei Zeilen und einer verkürzten vierten, die eine Pointe transportiert. Ein leider völlig unrheinisches, aber allseits bekanntes Beispiel dafür sind ausgerechnet die Strophen des Kinderliedes „In der Weihnachtsbäckerei" von Rolf Zuckowski.
Auch der Ippendorfer vom Dorp spielt zu seinen Krätzje auf der Gitarre einfache Akkordfolgen. Richtig Mundart singt er nicht. „Ich habe als Hochdeutsch Sprechender in eine rheinische Familie eingeheiratet“, erzählt er. „Deshalb kommt immer so ein Misch aus Mundart heraus, die sich ins Hochdeutsche einbettet.“
Viereinhalb Seiten in einer Stunde
Seine Leidenschaft ging aus zwei anderen hervor, dem Texten und dem Musizieren. „Ich habe immer schon Texte geschrieben“, erzählt er. In den 70ern spielte er außerdem Blues-Songs in einer Band, erst auf Englisch, später auf Deutsch. Vom Dorp, seit 2003 Gitarrist und Sänger der Band „Roots’n Boots“, begann irgendwann, selbst Songs zu schreiben und kleine Gedichte. Daraus entwickelte sich das, was ihm heute so locker von der Hand geht: „Es kann sein, dass ich mich eine Stunde vor einer Geburtstagsfeier hinsetze und dann viereinhalb Seiten vollgeschrieben habe.“
75 Physios und nur eine Kneipe
In Ippendorf gibt es so vieles, an dem er kratzen kann: Baustellen, Kirchenrenovierung, Blitzer, Tempo-30-Zonen, „oder dass es eine Kneipe gibt, aber 75 Physiotherapeuten“. Oder das Vereinshaus, dessen Zukunft weiter ungewiss ist. Er nimmt sogar Bundes- oder Weltpolitik aufs Korn – den US-Wahlkampf wähnte er schon abgefrühstückt, aber jetzt muss er noch mal ran. Und das Wetter muss man nach seiner Ansicht sowieso mit Humor nehmen.
Bisher sind es immer Krätzjer für Erwachsene. Aber er hat auch schon in Kindergärten musiziert. Und die Kleinen wären sicher auch mal ein interessantes Publikum für seine Dreieinhalbzeiler. „Da muss man auf die Sprache eingehen und sich einfacher ausdrücken“, so vom Dorp. „Und bei Kindern ist es noch wichtiger, dass man sie gezielt anspricht.“ Die Idee gehen eben nicht aus.