Führung über Friedhöfe Fußball-Mäzen und Friedensklärchen
Duisdorf. · Fußball-Mäzen und Friedensklärchen: Historiker Rainer Selmann stellt bei einer Führung über die Duisdorfer Friedhöfe interessante Gräber vor.
Wirklich berühmte Menschen liegen in Duisdorf nicht begraben – dafür einige mit bekannten Namen in Bonn. Fehlende Prominenz ist für Stadtspaziergänger Rainer Selmann aber kein Grund, sich nicht mit den Duisdorfer Friedhöfen zu beschäftigen. Bei seinen Recherchen ist er immerhin auf die Ruhestätte einer einst bedeutenden und leider in Vergessenheit geratenen deutschen Friedensaktivistin gestoßen.
Auch ohne prominente Namen hatte Historiker Selmann genügend rund um die beiden Duisdorfer Begräbnisstätten herausgefunden und nun zu erzählen. Seit 16 Jahren bietet er Führungen in Bonn an, auch über den Alten Friedhof oder den in Bad Godesberg. Nun gab es die Führung von der Genossenschaft der Friedhofsgärtner Bonn (siehe Infokasten) mit 16 Teilnehmern.
Sie erfuhren etwa, dass der Alte Duisdorfer Friedhof 1858, als der Ort kirchlich von Sankt Laurentius in Lessenich abgenabelt wurde, von Peter Thiel und Katharina Steinhauer gestiftet wurde. Er war ursprünglich nur von einer Hecke umrahmt, reichte bis an die heutige Rochusstraße heran – und wurde nach drei Beisetzungen schon wieder geschlossen. Baron Wilhelm von Neuville hatte etwas dagegen, dass das Dorf einen rein katholischen Friedhof erhielt. „Er war der einzige Protestant in Duisdorf, und er protestierte erfolgreich“, so Selmann. Erst 1863 fanden auf dem Gottesacker wieder Beerdigungen statt.
Unter anderem sind dort alle Pfarrer von Jan Schlömer bis Benno Leiverkus bestattet. Einen Hauch Bonner Prominenz umweht die Grabstätte der Familie Viol, 2019 wurde auch Hans Robert Viol dort bestattet, zu Lebzeiten schillernder Präsident des Fußballclubs Bonner SC. Berühmtheit erlangte er dadurch, dass er einst seine guten Beziehungen zu Fidel Castro genutzt haben soll, um die gesamte kubanische Nationalmannschaft für den BSC auflaufen zu lassen – aber wohl für einen Hungerlohn. Dem Vorhaben soll der damalige Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes den Riegel vorgeschoben haben. Zudem habe man gemunkelt, Viol betreibe Waffengeschäfte und/oder sei in der Fremdenlegion, erzählte Selmann. Am Ende habe der Mäzen des BSC den Verein in die Insolvenz gewirtschaftet.
Auch das Grab von Johann Brünker und Familie findet man dort. Für Duisdorf war er wichtig, denn er kaufte 1924 die alte Wasserburg neben dem Bahnhof, die laut Selmann 1439 erstmals erwähnt wird – nicht 1441, wie es an der metallenen Tafel neben der Bäckerei Vogt steht. Und außerdem war er bis zur Gebietsreform 1969 Bürgermeister von Duisdorf.
Brünker und Viol sind übrigens auf der kommunalen Seite des Friedhofs begraben – eine Besonderheit: Ende des 19. Jahrhunderts trat die katholische Gemeinde einen Teil der Fläche an die Kommune ab, damit dort ein einflussreicher Protestant begraben werden konnte.
Auf dem „Weg der Bauern“, die einst mit Eseln Korn von Duisdorf zur Mühle in Lessenich brachten, kommt man zudem am neuen Friedhof vorbei. Dort findet man das Denkmal für die 102 sowjetischen Zwangsarbeiter, die im Zweiten Weltkrieg umkamen, und die Grabstätte für die polnischen, jugoslawischen und italienischen Soldaten, die im Bonner Arbeitserziehungslager starben.
Selmann stellte auch die Urnengemeinschaftsgräber vor, die er liebevoll „Grab-WG“ nennt, und die so beliebt sind, dass inzwischen eine zweite Stelle eingerichtet wurde – vermutlich nicht die letzte.
Auf diesem Friedhof ist die Familie Diesel begraben, die die Schamottfabrik an der Bahnlinie betrieb, von der heute noch der Schornstein zu sehen ist.
Und dann ist da das Grab mit der schlichten Aufschrift „Becker Fassbinder“. Klara Marie Fassbinder liegt dort begraben, die sich leidenschaftlich für die deutsch-französische Freundschaft einsetzte. Dabei hing sie laut Selmann ursprünglich dem nationalistischen Gedanken von der Überlegenheit der Deutschen gegenüber der französischen Kultur an, betreute im Ersten Weltkrieg deutsche Soldaten an der Front. Begegnungen mit Franzosen hätten aber ihr Weltbild verändert: Sie wurde zur Pazifistin und Friedensaktivistin und gründete nach dem Zweiten Weltkrieg die Gesamtdeutsche Volkspartei mit.
Für ihre Aussöhnungsbemühungen erhielt Fassbinder, auch Friedensklärchen genannt, 1966 einen Orden des damaligen französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle – den Bundespräsident Heinrich Lübke ihr aber verweigerte: In Deutschland dürfe kein französischer Orden angenommen werden. Der Orden wurde ihr 1969 dann doch zugesprochen, 1974 wurde sie in Duisdorf damit beigesetzt.