Fraktionsdisziplin bei Neubauprojekt Grüne hadern wegen Stadtgärtnerei

DRANSDORF/ENDENICH/DUISDORF · Für die Grünen, die immer an vorderster Front gegen die Bebauung des Meßdorfer Feldes marschierten, ist diese Entscheidung eine echte Belastungsprobe gewesen: Als die eigene Ratsfraktion im Juni bei der Abstimmung zur ehemaligen Stadtgärtnerei mitmachte und damit grünes Licht für das dort geplante Neubauprojekt gab, waren die Kritik und die Empörung groß.

Dass der Beschluss gegen ihre eigentliche Überzeugung und auch gegen die Meinung der Bezirksfraktion gefasst wurde, weiß Hartwig Lohmeyer, der Planungssprecher der Ratsfraktion, nur zu gut. "Aber es ist das Wesen einer Koalition, dass man an manchen Stellen zurückstecken muss", sagt er rückblickend. "Wir konnten uns eben nicht an jedem Punkt durchsetzen."

Dennoch: Man habe zumindest den Kompromiss erreicht, dass nur bereits versiegelte Flächen des Stadtgärtnerei-Geländes bebaut werden, und dies außerdem in einer maßvollen Art und Weise geschehe. Kleiner Gewinn am Rande: Aus dem Verkaufserlös soll eine neue Unterbringung für die Biologische Station finanziert werden, die dort noch ihre Heimat hat. "Alles andere, wie die Grüne Spielstadt und die Heckenhäuser sollen bleiben", erklärt Lohmeyer.

Dass sich bei der Entscheidung im Rat einige grüne Stadtverordnete einer Stimmabgabe entzogen, indem sie den Saal verließen, erklärt er damit, dass es im Vorhinein ein Kompetenzgerangel zwischen Rat und Bezirksvertretung gab, welches Gremium zuständig sei. Und weil der Rat die Entscheidung an sich zog, um die Bebauung durchzusetzen, hätten die Grünen-Stadtverordneten, die auch in der Bezirksvertretung sitzen, auf diese Weise dagegen protestiert.

Eine andere Wahrnehmung der Dinge hat allerdings der Bürger Bund Bonn (BBB): Die Grünen hätten durch ihr Verhalten, entweder für die Bebauung zu stimmen oder den Saal zu verlassen, erst die Mehrheit von 42:34-Ja-Stimmen ermöglicht und damit nicht nur ihre eigenen Ziele verraten. Schlimmer noch, findet BBB-Ratsherr Marcel Schmitt: "Wer im Wahlkampf den Bürgern verspricht, sich für das Freihalten der Flächen der Stadtgärtnerei starkzumachen, aber bereits wenige Monate später anderes in der Jamaika-Koalition vereinbart und nach Jahresfrist im Rat für die Weiterführung des Bebauungsplanverfahrens votiert, begeht Betrug am Wähler." Er sieht die Fraktion in ihrer "Glaubwürdigkeit schwer beschädigt".

Doch Nachwehen ihres Verhaltens befürchten die Grünen nicht. Die Basis habe über die Ex-Stadtgärtnerei diskutiert und den Koalitionsvertrag gebilligt. "Damit haben wir diese Kröte geschluckt", sagt Lohmeyer, gibt aber zu, dass dieses Thema beim grünen Wahlklientel für Irritationen und Fragen gesorgt hat. "Aber wir haben uns entschieden, diesen für uns nicht einfachen Weg zu gehen", so Lohmeyer. Mit einem vergleichbaren "Umfaller" ist bei der möglichen Bebauung des zweiten Bauabschnitts in der Grünen Mitte - also bis zum Sportplatz Lessenich - nicht zu rechnen. "Diese Möglichkeit besteht nicht", so Grünen-Ratsfrau Gertrud Smid.

Sowohl im Vertrag der Ratskoalition als auch in der Kooperationsvereinbarung im Stadtbezirk Hardtberg sei diese Frage ausdrücklich als Dissens formuliert. "Und das bedeutet, dass die weitere Bebauung der Grünen Mitte in dieser Ratsperiode nicht weiterverfolgt wird. Deshalb gibt es in dieser Sache keinen Handlungsbedarf."

Für Lohmeyer ist es überdies viel realitätsnäher, sich den vielen potenziellen Neubaugebieten wie der Gallwitz-Kaserne, der Poliklinik und der Ermekeilkaserne zuzuwenden. "Diese Flächen sind unstrittig, dort geht es aber seit Jahren nicht weiter, weil die Stadtverwaltung angeblich keine Kapazitäten hat", erklärt er und fragt. "Muss man sich da an strittigen Gebieten wie der Grünen Mitte verkämpfen, wenn man an anderen Stellen weiterkommen kann?"

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